Boston 2011 – aus Enterprise 2.0 wird Social Business

Frank Wolf —  23. Juni 2011 — 4 Comments

Ich bin gespannt, wie lange die Enterprise 2.0 Conference noch Enterprise 2.0 Conference heißt. Der Begriff kommt kaum noch in den Vorträgen und Diskussionen zur Anwendung und hat bereits einen sicheren Nachfolger: Wer in den ersten fünf Minuten seines Vortrags nicht mindestens fünf Mal den Begriff „Social Business“ in den Mund genommen hat ,stand klar auf verlorenem Posten. Der Begründer des Begriffes Enterprise 2.0, Andrew McAfee war selbst auf der Konferenz anwesend und kämpft noch tapfer gegen den Bedeutungsverlust „seiner“ Wortschöpfung.

Der Zwang, das Thema auch begrifflich viel näher ins Kerngeschäft der Unternehmen zu transportieren, treibt nicht zuletzt die Tool- und Serviceanbieter (Jive: „Social means business.“, IBM: „Social Business for a smarter planet“) zu einer deutlichen Abkehr vom Enterprise 2.0 Begriff. Der oft unkritische Enthusiasmus der frühen Enterprise 2.0 Bewegung (die dafür einige Kritik einstecken musste) passt nicht mehr zu den Ambitionen einer mittlerweile Milliarden Dollar schweren Branche. Dieses Wachstum spiegelt übrigens auch die Konferenz selbst wieder, die im Vergleich zum vergangenen Jahr um 20% zugelegt hat, und deshalb in ein wesentlich größeres Kongresszentrum im Herzen von Boston umziehen musste.

Sonstige Eindrücke der Konferenz:

Es wird viel von Social Business gesprochen, aber einen Großteil der wirklich zahllosen Fallstudien dreht sich um frühere Stadien der Implementierung. Wie überzeugt man das Management, was sind erste Anwendungsfälle, wie genau funktioniert Community Management? Vieles von dem ist recht weit entfernt vom eigentlichen Geschäft. Die gute Nachricht ist, dass bei diesem ersten Schritt des Etablierens einer Plattform eine deutliche Professionalisierung stattgefunden hat. Es gibt mittlerweile viele Ideen und Erfahrungen, die im Detail zeigen, wie genau dieses Anfangsstadium bewältigt werden kann.

Es fällt auf, dass viele Fallstudien aus sogenannten regulierten Industrien wie Banken oder Pharma stammen. John Stepper von der Deutschen Bank meinte augenzwinkernd dazu: „Regulation is a great reason not to do anything.“ Das scheint also keine Hürde zu sein, sondern es geht darum, hier möglichst früh die Compliance Anforderungen zu verstehen und in den Gesamtprozess einzubinden, denn gerade diese Industrien sind sehr wissensintensiv und versprechen sich viel von der besseren Verwertung und Vernetzung ihres internen Wissens.

Die ROI Diskussion: „Metrics“ werden immer wieder diskutiert und sind definitiv ein Thema. Alles was ich dazu hier gesehen habe, wirkte jedoch sehr komplex und verkrampft. Richtig gut wird es nur bei sehr fokussierten Anwendungen, wie z.B. einem mit Hilfe von Social Software deutlich verschlanktem Urlaubsprozess. Die meisten Fallstudien haben Budgets und Management Unterstützung durch Erfolgsgeschichten und persönliche Einsichten der Beteiligten gewonnen. Das ist oft aber nicht so hilflos wie es hier klingt. Der Prozess des Ausprobierens, Finden von Best Cases  und deren gezielte Kommunikation wurde in vielen Beispielen sehr professionell und gezielt eingesetzt.

Einige der großen Anbieter wie IBM, Cisco oder Avaya haben in Keynotes die Möglichkeit, vor einer kompletten Industrie Ihre Visionen darzustellen und liefern eher langweilige Sales Präsentationen mit zahllosen Allgemeinplätzen ab. Enttäuschend. Eines der positiveren Beispiele war dann tatsächlich Microsoft. Sharepoint Produktmanager Christian Finn erzählte, wie ein ganz auf Bill Gates zugeschnittener Ideenprozess (Bill´s sogenannte Think Week ) zu einem unternehmensweiten Ideenprozess wurde.

Das technologisch spannendste Thema sind Standards. Klingt erst mal langweilig, hat aber weitreichende Folgen für die Zukunft von Enterprise Software:

Das ist zum einen der weiterentwickelte Standard OpenSocial 2.0. Im Kern geht es darum, Entwicklern die Möglichkeit zu geben, für verschiedenen Plattformen Apps zu schreiben und diese mit überschaubarem Aufwand von einer Plattform (z.B. Jive) zu einer anderen (z.B. IBM) zu portieren. Klare Ziel ist, nicht den Fehler der technischen Silos mobiler Betriebssysteme (Apple, Android,etc) zu wiederholen. Das wirklich spannende an OpenSocial 2.0 ist, dass Apps aus Ihrem Container herauskönnen und mit der eigentlichen Anwendung, in der Sie laufen, interagieren. Z.B. kann eine App dann Inhalte in einen Activity Stream schreiben oder Einträge in ToDo Listen erstellen. Es wird damit unglaublich einfach, Anwendungen funktional zu erweitern.

opensocial20

Direkt dazu gehört ein Standard für Activity Streams: http://activitystrea.ms/, der Teil von Open Social 2.0 ist und zukünftig anwendugsübergreifende Activity Streams ermöglicht. Die Streams selbst werden immer besser und mittelfristig wohl wirklich personalisierte Informationsströme mit denen ein Großteil der Arbeit auf einer Plattform direkt interaktiv erfolgen kann. Wer Zeit für 135 Folien hat kann sich auf Slideshare hier noch einige Grundlagen zu Thema holen.

Tja und Boston selbst ist immer noch weitestgehend mit dem Stanley Cup Sieg seiner Eishokeymannschaft Boston Bruins beschäftigt, dem ersten seit 1972.

stanley

Da werden Männer wieder zu Jungs: die Bostoner Feuerwehr hat sich den Stanley Cup aus Alufolie nachgebaut und fährt den jetzt stolz spazieren 🙂

4 responses zu Boston 2011 – aus Enterprise 2.0 wird Social Business

  1. Es gabe einige sehr fleißige, die mitgeschrieben haben. Wer also mehr wissen will:

    http://jimworth.pbworks.com/w/page/41561709/Enterprise-20-Boston-Social-Web-Coverage-June-20-2011

    und hier noch ein Artikel des Wall Street Journal:

    http://blogs.wsj.com/venturecapital/2011/06/22/enterprise-2-0-is-growing-up/tab/print/

  2. Sorry – aber mit Social Business kann ich auch (noch immer) wenig anfangen. Mir gehts hier wohl wie McAfee 😉

    Viele Grüße, Alexander Stocker

Trackbacks und Pingbacks:

  1. Social Business: Was macht Unternehmen sozial? | edRelations - 24. August 2011

    […] des Themas Social Business auf unsere Breiten. Neulich habe ich hierzu gelesen bei Natascha Ljubic, Besser 2.0 oder am Blog von ishp Consulting. Was mich dabei interessiert ist weniger die technische Sicht oder […]

  2. Natascha Ljubic – Social Business Blog – Enterprise 2.0 wird zu Social Business - 3. Dezember 2011

    […] wird über die Ablösung von Enterprise 2.0 im Gegenzug für Social Business gesprochen. Auch in Boston 2011 wurde auf Konferenzen von dazu […]

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