Facebook Gruppen als Alternative zu Enterprise Collaboration Tools

Frank Wolf —  22. November 2010 — 12 Comments

Schon oft haben wir auf dem Blog beschrieben, dass Unternehmen, die von Social Collaboration profitieren wollen, wesentlich mehr tun müssen als nur eine Software für diesen Zweck zu evaluieren und einzusetzen. Gehen wir heute ausnahmsweise einmal davon aus, dass die wichtigen vorgelagerten Schritte alle vollzogen sind – es gibt konkrete Anwendungsfälle und auch die internen Strukturen dafür wurden geschaffen. Es steht wirklich „nur noch“ die Technologieauswahl bevor.

Und täglich grüßt Facebook

Wieder einmal ist es Facebook, dessen neues Feature eine nähere Betrachtung auch für den Unternehmenseinsatz verdient. Mit Facebook-Gruppen können unter anderem auch Teams, die miteinander kooperieren wollen, jetzt auch  beim großen Social Network aus Palo Alto Wissen zu ihrem Fachgebiet austauschen. Für die Social Software Matrix haben wir verschiedene Social Software Suites nach deren Kriterienerfüllung an eine Enterprise 2.0 Software bewertet. Beim damaligen Launch hatten wir mit dem inzwischen eingestellten Dienst Google Wave  ein Tool bewertet, das wie auch Facebook kostenlos die Anforderungen an eine Enterprise 2.0 Software erfüllen kann. Ich möchte mich heute der Frage widmen, ob Facebook Groups eine erstzunehmende Alternative für die tägliche Zusammenarbeit im Team darstellt und bediene mich dazu den Bewertungskriterien der Social Software Matrix.

Facebook Groups‘ Eignung für Anwendungsfälle im Unternehmen

In Puncto Enterprise Communication bieten die Facebook Gruppen alle von Facebook bekannten Kommunikationsfeatures. Neben dem typischen Activity Stream, also den Inhalten, die Gruppenmitglieder für alle anderen Mitglieder auf die aus den Profilen bekannte Pinnwand schreiben, kann man z. B. mit den Gruppenmitgliedern chatten oder ihnen Nachrichten schreiben. Auch Kommentare aller Nutzerbeiträge sind möglich. Neue Gruppenmitglieder können von allen anderen Mitgliedern hinzugefügt werden oder ihrerseits selbst eine Anfrage stelle. Schön ist die Gruppenchatfunktion, die es ermöglicht, mit allen Mitgliedern, die online sind, zeitgleich zu chatten. Passt man die Einstellugen dahingehend an, werden Gruppenchatbeiträge per Nachricht zugestellt, wenn man selbst offline war, während die Teammitglieder diskutiert haben.

Gruppenchat

In Sachen Zusammenarbeit und Wissensaustausch (Collaboration und Knowledge Exchange in der Social Software Matrix) dienen die Facebook Groups ähnlich wie auch im normalen Profil hervorragend zum Posting von Links, Bildern, und Videos,  versehen mit persönlichen Statements, die sich jeweils kommentieren lassen. Im Unterschied zum privaten Activity Stream ist auch die Zeichenanzahl erstellter Beiträge (so die offizielle Bezeichnung) nicht auf 400 Zeichen begrenzt, es lassen sich also auch längere Texte teilen. Einen wesentlichen Nachteil der Beiträge egalisiert die Funktion „Dokument„. Hier lassen sich – auch mit rudimentären Formatierungsmöglichkeiten wie Fettdruck oder Stichpunkte – Dokumente erstellen, die nach der Erstellung von allen Mitgliedern editierbar sind. Zwar kann man nicht zeitgleich mit mehreren Personen an einem solchen Dokument arbeiten, aber es gibt eine Verlaufshistorie je Dokument.

Verlaufshistorie

Nach den aufgeführten Features ist es wohl nicht zu hoch gegriffen, hier von einem Wiki zu sprechen.

Klar, dass Facebook vor allem beim Social Networking punktet. Über Facebooks Möglichkeiten, sich virtuell vorzustellen und zu vernetzen, möchte ich an der Stelle deswegen keine weiteren Wort verlieren. Wesentlich weniger ist das Kriterium Expert Search erfüllt. Natürlich gibt es die Facebook Suche, aber speziell nach Experten auf bestimmten Gebieten zu suchen oder auch Beiträge und Dokumente innerhalb einer Gruppe zu suchen und zu finden, ist nicht möglich.

Je nach persönlichen Einstellungen kann sich jedes Gruppenmitglied über Neuigkeiten in der Gruppe per E-Mail an die hinterlegte Adresse benachrichtigen lassen (Personal Information Management). Spezielle Beiträge können außerdem abonniert werden, so dass Änderungen oder Kommentare dieser Beiträge sofort zu einer Benachrichtigung an den Abonnenten führen.

Gruppen_Einstellungen

Es ist nicht Facebooks Anspruch, Project Management professionell zu ermöglichen. Auch für die Gruppenfunktionen wurde dies nicht umgesetzt. Zwar werden zahlreiche Kommunikationsmöglichkeiten geboten (siehe Enterprise Communication), Möglichkeiten des Ressourcentrackings oder der Fortschrittskontrolle in der Projektarbeit gibt es allerdings überhaupt nicht. Das ist ganz klar nicht Facebook’s Kernkompetenz, muss aber für den Einsatz im Unternehmen dennoch bewertet werden. 

Facebook Groups‘ Produkt- und Technologieeigenschaften

Die Operational Flexibility von Facebook steht außer Frage, aber ist sie auch fit für den Unternehmenseinsatz? Web-Zugang und mobiler Zugang sind hervorragende Voraussetzungen, jederzeit und überall Zugang zur Gruppe zu haben. Aber in Sachen Compliance und Support bleiben hier viele Wünsche offen, will man die Gruppen zur professionellen Zusammenarbeit verwenden. Auch wird durch fehlende Uploadmöglichkeiten keinerlei Dokumentenmanagement ermöglicht.

Ist man im Unternehmen restriktiv an Corporate Design und Identity Richtlinien gebunden, werden die fehlenden Fähigkeiten der Custamization and Extensibility den Einsatz der Facebook Gruppen verhindern. Eine Anpassbarkeit des Designs und Look & Feels wie bspw. Navigation ist unmöglich. Auch ein personalisierbares Dashboard zum Einstieg in die Gruppe sucht man vergeblich, für Erweiterungen der Funktionen ist man auf Facebook selbst angewiesen.

Der wohl kritischste Punkt für den Unternehmenseinsatz ist Data and Security. Jedem dürfte nach den zahlreichen Meldungen zu Facebook und Datenschutz klar sein, dass eingegebene Daten von Facebook verwendet werden. Vertrauliche Informationen, wie sie im Unternehmen wohl häufig vorkommen, sind in Facebook Gruppen demnach völlig falsch aufgehoben und sind ein Killerkriterium für den professionellen Einsatz der Gruppen.

Verlässt man sich auf die Vendor Position seines Enterprise 2.0 Anbieters, dann ist Facebook zweifelsohne ganz weit vorn dabei. Das Unternehmen aus Palo Alto hat inzwischen einen riesigen Marktwert erreicht und ist nicht auf Investoren angewiesen, die bei der Weiterentwicklung Finanzspritzen beisteuern. 

Support and Service sind vor allem für zeitkritische Anwendungen ein wesentliches Erfolgskriterium. Es gibt einige Fälle, in denen Facebook nicht erreichbar war. Geschieht das in Momenten gemeinsamer Arbeit, steht der Erfolg des Teams auf der Kippe. Ob und wie der Support von Facebook erreichbar ist, ist mir persönlich nicht bekannt und ich würde mich über Erfahrungsberichte der Leser sehr freuen.

Facebook glänzt durch Usability, stößt aber hart an Compliance-Grenzen

Vereint man alle Kategorien in einer Multiplikation, dann wird mindestens der Faktor „Data and Security“= 0, was zu einem Gesamtprodukt, also einer Eignung, von ebenfalls 0 führt. Ganz so einfach will ich mir aber die Bewertung von Facebook-Gruppen im Unternehmenseinsatz nicht machen. Fakt ist, dass eine Facebook-Gruppe innerhalb kürzester Zeit aufgesetzt ist und Mitglieder ad hoch eingeladen sind. Auch die Usability ist absolut alltagstauglich, wobei gerade die Wiki- und Chatfunktionalität die Zusammenarbeit zu einem echten Erlebnis machen.  Wenn man allerdings an Compliance-Richtlinien gebunden ist, schließt sich Facebook schnell als Kollaborationslösung aus. Jeder Vorgesetzte dürfte von Bauchschmerzen heimgesucht werden, wenn er daran denkt, dass seine Interna über Facebook ausgetauscht werden. Datenschützer werden definitv ihr Veto einlegen.

Bewegt man sich allerdings in einem Team, das nicht an derlei Richtlinien gebunden ist, so ist Facebook eine sehr handliche und vor allem kostengünstige Methode, gerade mit standortverteilten Teammitgliedern zusammen zu arbeiten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle Teammitglieder zumindest immer mit einem weiteren Teammitglied über Facebook vernetzt sein müssen, um Gruppenzugang zu erhalten. Ein weiteres Indiz dafür, dass Privat- und Unternehmensbereich immer mehr verschmelzen können. Wer dies nicht wünscht, sollte auf professionelle Social Software Suites setzen.

12 responses zu Facebook Gruppen als Alternative zu Enterprise Collaboration Tools

  1. Facebook Gruppen als Alternative für eCollaboration?

    Tun Sie das bitten den CIOs (vor allem den CIOs aus Österreich) nicht an, denn diese denken bei Facebook vor allem an den Zeitdiebstahl, durch übermäßige private Nutzung. 😉

  2. Der Gedanke ist an sich auch nicht abwegig. Wenn ich Teile meiner Arbeit in einer Umgebung (Facebook) erledige, in der auch grössere Teile meiner privaten Kommunikation stattfinden, dann ist einfach Ablenkugspotential da. Dieser Aspekt spricht neben den offensichtilichen Mängeln wie z.B. den fehlenden Funktion für den Umgang mit Files, zusätzlich klar gegen Facebook.

  3. Das Ablenkungspotenzial ist ja bereits durch den PC und den Webbrowser begründet, würde aber durch eine Nutzung von Facebook sicherlich noch weiter verstärkt. Da hilft eben nur die zunehmend benötigte Kompetenz, sich fokussieren zu können. Gut gefallen mir ausserdem die ersten zwei TechnologieEigenschaften. Danke.

  4. Ich habe Euch gerade auf facebook gesucht – und leider nicht gefunden…

  5. Hallo Julie,

    Facebook ist in Planung 🙂 Unser Social Media Schwesterblog ist aber schon da: http://www.facebook.com/Socialmediaevolution

    Viele Grüsse

    Frank

  6. Ein sehr interessanter Post erstmal!
    Ich denke Facebook ist vom Einsatz als Enterprise Collaboration Tool noch meilenweit entfernt, Hauptpunkte dürften die Undurchsichtigkeit der Datenschutzrichtlinien und die Stabilität des Systems sein. Von der Funktionalität her wird da sicherlich noch einiges dazu kommen!

  7. Hallo Richard, vielen Dank für Deine Meinung. Ich sehe es letzten Endes ganz genauso, wobei aus meiner Sicht der kritischste Faktor die Ablage unternehmensrelevanter Daten auf den Servern von Facebook ist. Dicht gefolgt allerdings von Deinen Argumenten. Welche Funktionalitäten würdest Du Dir denn noch wünschen?

    Viele Grüße

    Martin

  8. Ja das mit den Daten ist sicherlich der Hauptaspekt. Ich denke da an Sachen wie das Anhängen von Dokumenten und einen Wiki-ähnlichen Aufbau. Aber so wie ich Facebook kenne kommt da noch was, wobei sich gestern Nacht gezeigt hat, dass der Herr Zuckerberg auch nicht immer alles unter Kontrolle hat.

    Schönen Gruß

  9. Interesting, just found out your site by searching google and this article is exactly what i was looking for. Could you please tell me whether you have an rss feed for this site? I would like to add this site to my rss feed reader, so i’ve looked for the rss icon but cannot seem to find it…

  10. Michael Chackson 10. Juni 2011 at 13:08

    Ist zwar ein interessanter Gedanke, aber wenn, dann würd ich doch eher G**gle benutzen. Text und Tabellen sowie Kalender für die Gruppe/Gruppen freischalten und sowohl Dokumente als auch Termine verwalten..

    Gruß

  11. Claudia Müller 25. Februar 2013 at 13:51

    Wir haben die Facebook Gruppen probiert, aber das Problem war, dass nicht jeder der Kollegen einen Facebook Account hat. Außerdem war das Ablenkungspotential hoch, denn man muss ja in Facebook eingeloggt sein um in den Gruppen aktiv werden zu können.

    Auf der Suche nach Alternativen sind wir auf Fasterplan gestoßen (http://www.fasterplan.com/), das hat eine ähnliche Funktionalität aber eben keinen anderen Schnickschnack. Die Terminfindungsfunktion ist ziemlich gut, jeder trägt in einen Kalender seine möglichen Termine ein, und Fasterplan berechnet die Überschneidungen.

Trackbacks und Pingbacks:

  1. Google Social Business Suite | Besser 2.0 - 6. Juli 2011

    […] ob eine Bewertung nach den Kriterien der Social Software Matrix ähnlich ausfällt wie in unserem Test mit Facebook im November, bei dem vor allem das angesprochene Thema Security einer der Hauptkritikpunkte war. Fraglich, ob […]

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