Leider hat mich mein Google Alert erst jetzt zu dem Eintrag von Matthias Schwenk im bwlzweinumm-Blog geführt. In seinem Artikel versucht Matthias Schwenk die Frage: „Was bringt Social Software finanziell im Projektmanagement?“ zu beantworten. Er macht seine Rechnung an einem Beispiel fest, in dem er einen Maschinenbauer beschreibt, der im Jahr 60 Mio. Euro Umsatz macht und durch die Einführung eines Projektblogs eine Kostenersparnis von 10% im Jahr und somit 3 Aufträge mehr realisieren kann.
Anhand der Diskussion im Blog lässt sich sehr schnell erkennen, dass eine ROI-Betrachtung für Web 2.0 Tools eher schwierig ist. Das folgende Bild zeigt das sehr schön:
Unsere Recherchen haben ergeben, dass es an vielen Stellen solche Diskussionen zum Thema ROI und Web 2.0 gibt. Hier mal einige Beispiel dazu:
- Forrester Creates a Model to Measure Blogging ROI
- Is It Worth It? An ROI Calculator for Social Network Campaigns
- The FASTForward-Blog: ROI, ROI, ROI
- Wikis as alternatives to email – find the ROI
- Radiowalker – Enterprise 2.0 ROI
- …
Dieser Eindruck lässt vermuten, dass eine solche Rechnung nur exemplarisch und nicht allgemeingültig gemacht werden kann. Diese vereinfachten Rechnungen haben meist nur eine geschränkte Sicht auf die Welt und lassen Umweltfaktoren und Rahmenbedingungen oft außer Acht. Social Software kommt vor allem dort zum Einsatz, wo es keine standardisierten Abläufe und Prozesse gibt. Zum Beispiel in der Zusammenarbeit und Kollaboration von (verteilten) Teams. Daher ist eine ROI-Betrachtung schwierig. Wer will schon ausrechnen können um wie viel effektiver die Kommunikation im Team durch den Einsatz von Social Software geworden ist.
Sicherlich lässt sich aus Umfragen und Erfahrungsberichten ermitteln, inwiefern Projekte durch Social Software schneller und besser durchgeführt werden können. Dieses Bild würde dann aber auf subjektiven Aussagen beruhen (was ab einer bestimmten Anzahl von Leuten wieder relativiert werden kann).
Und mal ehrlich. Kommt es bei Investitionskosten im Unternehmen von 8.000 US$ für ein Enterprise Wiki oder sogar null US$ einer Open Source Lösung wirklich auf den ROI an? Klar kann man jetzt sagen, dass entsprechende Projektkosten für die Einführung, Anpassung und Erweiterung entstehen. Da macht es aus unserer Sicht extrem viel Sinn einen „Perpetual Beta“ Ansatz zu fahren, der uns die Möglichkeit gibt Social Software Tools schnell an den Start zu bringen, Erfahrungen zu sammeln und das Tool erst dann gezielt weiterzuentwickeln. Somit ist ein Unternehmen nicht gezwungen Unsummen am Anfang eines Projektes in die Hand zu nehmen, um eine Gesamt- und Endlösung zu erstellen.
Um entscheidende Effekte durch den Einsatz von Social Software im Projektmanagement aber auch im gesamten Unternehmen zu erzielen bedarf es einiger Veränderungen. Der erfolgreiche Einsatz von Social Software bedarf, aus unserer Sicht, neue Arbeitsweisen (im Umgang mit Social Tools), Veränderung in der Organisation (z.B. Berichts- und Abstimmungswege) und die Ausrichtung der Kultur (Schaffung einer Kultur der Offenheit). Erst wenn diese Faktoren gegeben sind, kann sich ein Nutzen (noch nicht in Zahlen ausdrückbar) bemerkbar machen.
Wie Frank in seinem Blog-Eintrag „Projektmanagement 2.0 – Ansätze für eine Definition“ darstellt, sind Effekte durch den Einsatz von Social Software in den folgenden Punkten zu sehen:
- Zusammenarbeit und Organisation von Projektteams
- Inhaltliche Abstimmung innerhalb aber auch zwischen Teams
- Ständige Transparenz über den aktuellen Projektstatus
Schlussfolgerung: Social Software richtig eingesetzt (z.B. in Projekten) kann zu nachhaltigen Nutzeneffekten führen. Wichtige Voraussetzung dafür sind Rahmenbedingungen wie Arbeitsweise, Organisation und Kultur.
Vielleicht gibt es aber doch jemanden, der dieses Konzept bereits erfolgreich einsetzt und Aussagen zu Kosteneinsparungen machen kann.
Hmm … Sind diese viele Wiki-Leichen, die man heute überall in den Unternehmen findet und die für die Akzeptanz des Themas Enterprise 2.0 beim Management in vielen Fällen in der Zwischenzeit zum Showstopper geworden sind, nicht gerade durch die Argumentationen „kommt es bei null Euro einer Open Source Lösung wirklich auf den ROI an“ und „wir lösen das alles durch einen „Perpetual Beta“-Ansatz“ entstanden?
Mir ist ein Management lieber, das Fragen stellt wie beispielsweise
Wie können wir mit Social Software Initiativen für Veränderungen initiieren? Wie können wir mit Social Software gezielt Verbesserungen entwickeln?
Wie können wir im Unternehmen unsere Konzepte partizipativ erarbeiten und das Wissen aller Beteiligten nutzen? Wie können Prozesse durch Mitarbeiter, die en Prozess täglich leben, optimiert und verbessert werden?
Wie kann man die Chancen von Social Software (Offenheit, weitreichende Freiheiten, hohe Vernetzung) sinnvoll im Hinblick auf die Zielsetzungen eines Unternehmens (Kosten senken, Qualität zu steigern) nutzen?
Diese Frageliste kann man leicht erweitern. Man sieht aber beispielhaft, dass man immer wieder auf die Frage nach der Strategie und des Nutzen kommt. Und da reicht als Antwort „kostet kaum was“ und „perpetual beta“ nicht aus.
Ich argumentiere mal dagegen: „Ja, eine erfolgreiche Einführung von Social Software im Unternehmen ist aufwändig und kostet richtig Zeit und Geld“ und „ohne eine Strategie und einen Plan sollte man es lieber sein lassen“.
Ich hab gerade das Buch (ja, wirklich, ein Buch 🙂 ) von Newman und Thomas „Enterprise 2.0 Implementation“ bekommen und vor mir liegen. Gleich mal auspacken und schauen, ob da was zum Thema ROI drin steht …
Aha, gleich das Kapitel 2 heißt „Enterprise 2.0 ROI“. Und in der Einleitung des Kapitels steht:
„Nevertheless, without measurable results, it is impossible to know if these tools are being chosen properly, used properly, or can be better utilized. As with any technology, Enterprise 2.0 must be used properly to provide value. Without a yardstick for measurement, it is impossible to know if these tools are a net benefit – or just as possible – a net cost“
Oder anders ausgedrückt: Die Einführung Social Software setzt Business Excellence nicht ausser Kraft. Ich denke nicht, dass die Frage nach dem ROI ein starres Festhalten an veralteten Managementstrategien, sondern vielmehr der entscheidende Schritt ist, sich ernsthaft mit dem Thema zu befassen.
Daher auch vielen Dank für die Links, ich kann damit meine ROI-Bookmarks ergänzen. Und ich bin sehr auf weitere Reaktionen gespannt!
Dazu habe ich gerade gestern ein schönes Zitat gefunden. at&t hat einen Enterprise 2.0 Media Kit herausgegeben, der unter anderem auch ein White Paper mit einigen spannenden Gedanken beinhaltet. (Siehe dazu auch den Kommentar von Jochen Robes). Das ROI Thema ist darin eine (die erste!) von 10 identifizierten Herausforderungen:
“1. Adopt New ROI Concept
The change is sociological rather than technological, thus it will be difficult to justify with traditional ROI methods; if the corporate vision incorporates and builds upon the move to Social Networking and Web 2.0, then the key performance indicators will easily follow.”
Wenn also eine bessere Vernetzung als wichtiger Beitrag zum Unternehmenserfolg betrachtet wird und als Ziel nicht in Frage steht, wird es wesentlich einfacher sein, den Beitrag einzelner Massnahmen darzustellen und amit zu argumentieren.
Ich denke auch, dass Social Software zuallererst eine strategische Entscheidung darstellt. Beispielweise „Wir möchten trotz Wachstum unsere offene und partnerschaftliche Kultur aufrecht erhalten. Dazu brauchen wir Social Software.“ Oder „Wir möchten unsere Unternehmenskultur modernisieren. Social Software kann uns dabei unterstützen“. Das Null-Kostenargument ist nicht wirklich ein Argument (lasst uns alle verfügbaren Sourceforge-Projekte installieren, kostet ja nix!!!) und ist auch nicht zutreffend (ich stelle mir da z.B. eine Abteilung voller hochbezahlter Wissensarbeiter vor, die verzweifelt versucht, die Dokumentation zum „kostenlosen“ MediaWiki zu verstehen)…
Begreift man Social Software als strategisches Werkzeug ist es allerdings sehr schwierig, einen exakten Betrag als ROI auszurechnen. Da geht es eher um strategische Ziele wie Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit.
Social Software wird als eine Möglichkeit wahrgenommen Kosten zu sparen, strategische Ziele bestmöglich umzusetzen und das bei nahezu null Kosten. Ich gebe aber zu bedenken, dass nicht nur die reinen Software- und Hardwarekosten für eine solche Kalkulation anfallen. Vielmehr entstehen auch Ineffizienzen durch die Einarbeitungszeit in eine neue Software. Weiterhin muss diese Software auch mit Leben erfüllt werden und dies erfordert von den hochbezahlten Wissensarbeitern einen nicht unwesentlichen Aufwand, auch eine kritische Masse muss erreicht werden, damit durch Skaleneffekte möglichst hohe Vorteile gehoben werden können.
Dieser Betrachtung, und da stimme ich Martin zu, geht allerdings die Frage voraus warum setze ich Social Software ein, wo und wie möchte ich dies tun. Ein Wiki nahe einer Produktionsstraße mit nicht besonders internetaffinen Werkarbeitern und Meistern ermöglicht sicherlich nicht die Ergebnisse, welche man sich gemeinhin erwartet. Will man eine transparentere Kommunikation und Entscheidungsfindung erreichen und womöglich Redundanzen in der Informationsgenerierung vermeiden, sieht die Wirtschaftlichkeitsanalyse schon besser aus. Auf jeden Fall sollte man vermeiden, Mitarbeiter die nach konkretem Nutzen fragen mit „Du lebst und denkst noch im Enterprise 1.0 Schema“ abzuspeisen. Denn ein mit konkreten Zahlen unterlegtes Konzept findet höhere Akzeptanz, als die nebulösen Buzzwordwolken, die zur Zeit durch die Präsentationen der Web 2.0 Evangelisten schweben.