Intranetkultur = Internetkultur oder: Wenn Knigge ein Intranet genutzt hätte…

Frank Wolf —  5. Mai 2010 — 1 Kommentar

…hätte er Groß- und Kleinschreibung beachtet? Hätte er seine Texte nach dem Verfassen nochmals Korrektur gelesen? Hätte er Beiträge mit Fehlern ignoriert oder darüber hinweggesehen? Ein Standpunkt zum Schreibstil im Intranet.

Rechtschreibfehler und ihre Auswirkungen

Als ich heute Morgen meinen Wochenbericht in unserem Intranet veröffentlichen wollte, sind mir bei der Texteingabe einige Fehler unterlaufen, die ich beim Korrekturlesen allerdings noch behoben habe. Statt diese Unkonzentriertheiten einfach auf die recht frühe Uhrzeit zu schieben, habe ich mir mal Gedanken über den Schreibstil im Intranet gemacht.

Bei der Suche nach häufig gemachten Fehlern (Frequently made mistakes [FMM]) bin ich durch Suche nach dem Begriff „Porjekt“ immerhin auf folgende Treffer gestoßen:

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Klar, Fehler in unserer täglichen Arbeit können passieren, gerade Rechtschreibfehler scheinen im Vergleich zu Fehlern bspw. eines Chirurgen total banal. Was bedeutet aber ein Rechtschreibfehler für das Intranet? Nun, an erster Stelle einmal, dass die Suche nach dem korrekten Begriff „Projekt“ wohl nicht diese – womöglich sehr hilfreichen – Treffer angezeigt hätte. Also nehmen die geistigen Ergüsse der Autoren nicht Teil am Wissensmanagement und enthalten den Intranetbenutzern trotz aller guten Absichten vielleicht entscheidendes Wissen vor. Ein finaler Rechtschreibkorrekturblick auf die verfassten Zeilen bietet sich also schon aus reinen Nutzengründen an.

GROß oder klein?

Groß- und Kleinschreibung verliert im Internet scheinbar immer mehr an Bedeutung. Kaum ein Kommentar auf Facebook beispielsweise beachtet diese Rechtschreibregel, die jeder handelsübliche Duden schon auf seinen ersten Seiten beschreibt. Und warum? Nun, ich erkläre es mir mit dem Dialog, der eben jetzt nicht mehr face-to-face stattfindet, sondern facebook-to-facebook oder irgendwo anders im Netz. Hätte mir früher ein Freund ein Bild seines neuen Autos in 9×13 Hochglanz gezeigt, hätte ich wohl auch nicht gesagt „Sehr schön. Das ist aber ein für das Auge sehr angenehmes Fahrzeug, das Du da jetzt Dein Eigen nennen kannst.“ Die Reaktion auf seinen Neukauf hätte wohl eher so „Coole Karre haste da.“ Und nun kommentiere ich seinen Facebook-Bildupload „coole karre haste da“.

Im Intranet wird der Fall eines Postings zur Fahrzeugneuanschaffung wohl trotz aller „social“ Bewegungen nur selten eintreten, häufiger werden arbeitsthemenrelevante Beiträge von Mitarbeitern oder beispielsweise die Quartalszahlen kommentiert. Ziehen wir wieder den Vergleich zur Praxis. Mein Steuerberater würde wohl die Einreichung meiner Quittungen des vergangenen Jahres mit sachlichem Nachdruck telefonisch einfordern und nicht anrufen und fragen „Wo bleibt’n das Zeug?“.

Die Kernbotschaft also lautet: trotz aller Offenheit und Funktionen, die wir heute aus dem Internet gewöhnt sind, ein respektvolles Miteinander sollte auch im Social Intranet herrschen. Und – das Beherrschen eines flinken Computerschreibstils nicht einmal vorausgesetzt – ist die Berührung der Shift-Taste mit dem kleinen Finger der linken Hand wohl von übersichtlich hohem Aufwand.

Intranetkultur = Internetkultur?

Dass es ausreicht, wenn der erste und der letzte Buchstabe eines Wortes an ihrer vorgesehenen Position stehen, die Buchstaben dazwischen hingegen in völlig wirrer Weise aufgeführt werden können, wissen wir spätestens seit uns folgender Text zu schon zu 1.0 Zeiten von Kollegen per Mail zugesandt wurde.

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Allerdings soll das Intranet uns das Zusammenarbeiten und das Auffinden von Wissen erleichtern, und trotz der verblüffenden Glaubhaftigkeit der Aussage des oben angezeigten Buchstabenwirrwarrs, ist das doch nicht als Instrument der Kollaboration zu verstehen.

Gepflogenheiten, die wir aus dem Internet kennen und derer wir uns gern im Umgang mit unseren sozialen Netzwerken bedienen, sollten nur dann verwendet werden, wenn es tatsächlich informell zugeht. Die Veröffentlichung von Quartalszahlen durch die Geschäftsführung in deren Blog gehört ganz sicher nicht unter die Überschrift „informell“ und sollte dementsprechend behandelt werden.

Wichtig ist bei der Kommunikation im Intranet so formell wie nötig und so informell wie möglich zu sein. Die Kunst ist die Balance zwischen hochoffizieller Bekanntmachung und dem entspannten Gespräch in der virtuellen Kaffeeküche, ohne dabei an Authentizität zu verlieren. Denn dass ein Beitrag im Intranet lieber authentisch sein sollte als „aufpoliert“, finden 65% der Teilnehmer an einer Umfrage zum Thema „Zukünftig wichtige Maßnahmen in der internen Kommunikation.“

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Die komplette Studie findet sich hier: http://www.zerfass.de/ecm/ECM2009-Charts.htm

Schreibkultur im Intranet  – die wichtigsten Punkte:

  • Rechtschreibfehler vermeiden und Beiträge vor deren Veröffentlichung lieber einmal zu viel lesen
  • Bei wichtigen Beiträgen am Vier-Augen-Prinzip festhalten und schon dabei vom Wissen anderer profitieren
  • Artikel „Suche-freundlich“ aufbereiten, also vor allem bei themenrelevanten Begriffen auf eine saubere Rechtschreibung achten
  • Beim Tagging unbedingt auf die Korrektheit der Rechtschreibung achten, da sonst „Tagleichen“ produziert werden.
  • Die Beachtung von Groß- und Kleinschreibung unterstreicht die Bedeutung Ihres Postings, kleingeschriebene Substantive oder gar Namen gelten für das Auge des Lesers als informell und stufen den Inhalt womöglich automatisch ab.
  • Satzzeichen setzen, wo sie hingehören. Es erleichtert das Lesen und kann im schlimmsten Fall über Leben und Tod entscheiden („Die Gefangenen hängen nicht, laufen lassen.“ vs. „Die Gefangenen hängen, nicht laufen lassen“)
  • Authentisch bleiben! Es darf gern transparent werden, dass hinter einem Text ein Mensch mit all seinen Besonderheiten steht. Kein Mensch liest gern rundgeschliffene und seelenlose Texte.
  • Offline-Inhalte nicht 1:1 ins Intranet kopieren, sondern um multimediale Inhalte anreichern, die dem Leser den Beitrag zum „Erlebnis“ werden lassen.

Ein Intranet 2.0 will aus möglichst vielen Mitarbeitern Autoren machen. Nur dann wird es lebendig und spannend und zu einem Zentrum des Wissensaustausches. Nicht in jedem schlummert ein Goethe, es gilt jedoch die Grenze zwischen „authentisch“ und  „nachlässig“ zu finden und nicht zu überschreiten. Schon die Beachtung weniger Punkte kann zu einer angenehmen und vor allem produktiven Schreibkultur im Intranet beitragen.

Trackbacks und Pingbacks:

  1. Tweets die Intranetkultur = Internetkultur oder: Wenn Knigge ein Intranet genutzt hätte…" Beitrag auf #besser20.de erwähnt -- Topsy.com - 5. Mai 2010

    […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Martin Wanitschke erwähnt. Martin Wanitschke sagte: "Intranetkultur = Internetkultur oder: Wenn Knigge ein Intranet genutzt hätte…" Beitrag auf #besser20.de http://tiny.cc/auk4g […]

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