Knowtech 2008

Frank Wolf —  9. Oktober 2008 — 11 Comments

Einige Eindrücke als Zwischenfazit der Knowtech 2008 in Frankfurt. Der Ort der Konferenz ist die IHK Frankfurt, die im selben Gebäude wie die Börse ist – man läuft ständig am Börsensaal vorbei – näher kann man der Finanzkrise in Deutschland wohl nicht kommen. Im Gegensatz dazu geht es mit dem Wissensmanagement nach langen Jahren des Siechtums schon wieder aufwärts – die Knowtech hat in diesem Jahr 25% mehr Besucher. Meine wichtigsten Erkenntnisse bisher:

1. Die Knowtech befindet sich inhaltlich nicht an der Spitzte der Enterprise 2.0 Bewegung – wer dazu viele Impulse erwartet, wurde bislang eher enttäuscht. Man bekommt aber einen guten Überblick darüber, wie weit Unternehmen mit dem Thema derzeit in Deutschland sind: nicht sehr weit. Vom Wiki als Glossar und neuem Wissensmanagement Tool bis zur neuen Sharepoint Lösung für das Dokumentenmanagement – die Anwenderberichte waren bisher eher ernüchternd. Eines der Beispiele, das weiter ging und soziale Software schon sehr systematisch als Teil des täglichen Geschäfts beschrieben hat, kam von Rheinmetall. Die haben auch verstanden, dass Blogs im Unternehmen keine persönlichen Tagebücher sein müssen, sondern einfach nur ein sehr effektives Dokumentationsinstrument – das nebenbei auch noch eine Wissensbasis erzeugt.

2. Die meisten Vorträge beschäftigen sich mit den nachgelagerten Prozessen im Wissensmanagement: Wissen bewerten, nutzen, suchen, verteilen. Alle gehen fast wie selbstverständlich davon aus, dass alles relevante Wissen irgendwie schon das ist. Aber genau hier liegt doch die grosse Herausforderung, die das „alte“ Wissensmanagement nie in den Griff bekommen hat: Wie können Menschen Ihr Wissen teilen, ohne zusätzlichen Aufwand für Sie selbst. Wie kann man Wissen quasi nebenbei gewinnen und nutzbar machen. In diesem Bereich hat soziale Software so viel Potential – Beispiele dazu habe ich hier kaum gesehen.

3. Folksonomien – einer der Eckpfeiler des Web 2.0 kommt auf dem Weg in die Unternehmen ins Wanken. Im Web ist es egal, ob ich 100% der Inhalte über Tags wiederfinde – die Masse ist eh da und wenn es am Ende nur 90% sind – auch gut. Im Unternehmenskontext sieht das schon anders aus. Wir machen diese Erfahrung gerade mit unserem Confluence Wiki, das wir als neues Intarnet benutzen. Viele unserer Mitarbeiter wollen bestimmte Inhalte und Dokumente, die sie dort einstellen wirklich wiederfinden oder für andere einfach findbar machen – was nicht immer gelingt. Abhilfe kann hier ein wesentlich konsequenteres Tag Management schaffen – Martina Göhring von Centrestage hat in Ihrem Vortrag über Projektmanagement  via Blog davon berichtet, dass der Projektleiter eine Art Tag Manager werden muss, der in ihrem Fall nach einem halben Jahr Projektlaufzeit die Tags konsolidiert hat und wieder für Übersicht sorgt. Man sollte eigentlich noch einen Schritt weiter gehen und eine Art Folk-Taxonomie einführen: Die Elemente der Projektstrukturplanes oder die Liste der Anforderungen könnten eine einfache und wirkunsvolle Basis für eine schnell zu erstellende Projekt-Taxonomie (oder sogar Ontologie – wenn man an den Netzplan denkt) sein – die von Angfang an Struktur bietet und schrittweise durch freie Tags ergänzt wird.

4. Die Bitkom ist noch nicht 2.0. Keine Twitter Boards, keiner der Vorträge wird aufgezeichnet oder gestreamt, ein dicker Konferenz-Band, eine CD Rom zum Mitnehmen – da muss sich in den nächsten Jahren einiges tun um konkurenzfähig zu bleiben. Ich bin kein Twitter Verfechter, aber im Konferenzumfeld hat es sich wirklich schon bewährt – man kommt viel besser  – virtuell und persönlich –  ins Gespräch – das Feedback ist viel direkter und schneller, zum Thema Vernetzung ein wirlicher Mehrwert.

11 responses zu Knowtech 2008

  1. Hallo Herr Wolf,

    die Diskussion unter Punkt 3 zeigt genau, vereinfacht gesagt, den Unterschied zwischen Web 2.0 und Enterprise 2.0. Die Reichweite von zentralen Taxonomien und deren Schwächen im betrieblichen Alltag sind bekannt. Eine vollkommen freie Folksonomy im Web 2.0-Stil wird in den Unternehmen, wie das Fallbeispiel mit den Projektmanagement-Tags zeigt, aber auch nicht ohne weitere Gestaltung funktionieren. Also wird man für das Enterprise 2.0 nach hybriden Modellen suchen müssen.

    Gut aufbereitet ist dieses Thema rund um hybride Ansätze beispielsweise im „The Taxonomy Folksonomy Cookbook“. Im „altmodischen“ Thema „Definition von Unternehmensdaten“ liegt also viel Potential.

    Dass man sich für Projektmanagement 2.0 engagiert und kein Twitter-Verfechter sein kann finde ich interessant. Gerade angesichts der spannenden Entwicklungen zum „Corporate Microblogging“ in näheren und weiteren Umfeld. Und auch kann man für Enterprise 2.0-Aktivitäten einiges an Potential vermuten.

  2. „Die Bitkom ist noch nicht 2.0. “ – Aufzeichnen und Streamen von Veranstaltungen durch den Veranstalter gab es schon im letzten Jahrtausend! 2.0-mässig wären teilnehmer-organisiertes Streaming und/oder Audio-/ Videomitschnitte von Sessions.

    Sucht man in Blog-Suchmaschinen nach Posts zur KnowTech 2008 wird man bislang bis auf wenigen Ausnahmen auch kaum fündig. Und das Twitterverse war rund um die KnowTech 2008 auch ziemlich ruhig: http://twemes.com/knowtech

    Wie 2.0 geprägt waren also die Teilnehmer? Es ist noch ein grosser Schritt notwendig hin zum Wissensmanagement im Zeitalter des Web 2.0.

  3. „Dass man sich für Projektmanagement 2.0 engagiert und kein Twitter-Verfechter sein kann finde ich interessant.“ … Danke für die freundliche Umschreibung 🙂
    Corporate Microbloggin ist im Projektmanagment 2.0 und für viele andere Anwendungsfälle sehr spannend – ohne jeden Zweifel.

    Das Thema steht aber vor einer Herausforderung, die „Wikis“ und „Blogs“ etc auch schon haben: die meisten Unternehmen fragen sich: – was fange ich mit all den schönen Web 2.0 Technologien eigentlich an? – (auch auf der Knowtech wieder deutlich zu spüren). Es wird Zeit die Potentiale dieser Technologien auf die Probleme und Herausforderungen der Unternehmen zu übertragen – nur dann werden sie breiten und nachhaltigen Einsatz finden. Es geht um Anwendungsfälle (Projektmanagement, Prozessmanagement, Anforderungsmanagement, Innovationsmanagment, Dokumentation, Kommunikation, CRM, …) und deren konkrete technische und methodische Ausgestaltung. Evt sollte man also ein Microblogging nicht so sehr in den Vordergrund stellen, sondern eher die Lösung für ein Problem, die sich auf Blogs, Wikis, Microblogs, RSS, neue Methoden, etc stützt und damit schlanker, sozialer und schneller ist als zuvor.

  4. Es wird in der Tat noch zu viel über Tools und Features gesprochen und zu wenig über die Anwendungsfälle, wobei es schon einige interessante Diskussionen dazu gibt. Einige davon haben wir hier http://www.communote.com/index.php?id=l1p2i0f0 und hier http://www.humannetworkcompetence.de/2008/09/12/enterprise-microblogging-ein-neuer-hype-ja-und-nein/ diskutiert. Gerade die Einfachheit von Microblogging (weniger des Begriffes sondern in Praxis) macht es für viele Ansätze interessant. Weitere spannende Diskussionen aus der Community sind zu erwarten. Noch wird die Diskussion eher in der Enterprise 2.0 „Szene“ geführt, wobei in der Praxis sicherlich bald ungeahnte Anwendungsfelder auftauchen werden.

  5. An dieser Stelle noch eine ergänzende Bemerkung zu meinen Äußerungen auf der KnowTech (siehe post).

    Projektstrukturpläne oder der PMI Prozess u.a sind auch bei uns in einem Wiki erfasst. Da gibt es sozusagen eine interne Projekttaxonomie für alle, die gelernt haben, wie man ein Projekt macht. Die Realität mit Unternehmen, insbesondere aus dem Mittelstand erleben wir täglich anders. Dort werden zwar Projekte gemacht, aber mit PMI oder anderen Methoden hat das oft wenig zu tun. Selbst eigene Projekttaxonomien fehlen meist. Wir haben daher festgestellt, es ist einfacher, die Menschen in ihrer Sprache und ihrem eigenen Stil Inhalte zum Projekt beitragen zu lassen, als sie in ein Korsett von voreingestellten Kategorien zu zwingen, für das sie erst ein Projektseminar besuchen müssten. Sie würden es sowieso nicht tun. Gute Inhalte würden in den Köpfen verbleiben und eine gewisse Unzufriedenheit erzeugen.

    Unser Tagmanagement erfolgt meist auch häufiger als nach einem halben Jahr. Viele Projekte haben bei uns eher kürzere Laufzeiten.

    3 Punkte zum Schluss:

    1. Wichtig ist: es gibt immer einen Grund, dass ein Mensch ein bestimmtes Tag verwendet, auch wenn sich dieses für den Projektleiter nicht auf Anhieb erschließt und er dafür keine passende Kategorie in PMI/Projektordner/Projektplan etc. findet. Wenn ein Tag wichtig ist, setzt es sich durch, wenn es vereinzelt bleibt, dann kann der Projektleiter es aus dem Kontext heraus umbenennen, löschen, in eine passende Gruppe packen.

    2. Übrigens: viele Posts im Projektmicroblog sind sehr emotional. Das habe ich in keinem anderen Projektsystem so bislang erlebt.

    3. Nicht vergessen: der Microblog hat eine bestimmte Aufgabe, ersetzt viele E-Mails, aber nicht die anderen Systeme zur Projektsteuerung.

  6. Ich finde es erstaunlich das die KnowTech inzwischen nicht ihren Kinderschuhen entwachsen ist, ehrlich gesagt habe ich mir deutlich mehr innovativen Input erhofft – leider vergeblich. Das Thema Wissensmanagement an sich scheint aktuell wieder Hochkonjunktur zu haben, auch wenn der Begriff von meinem Standpunkt betrachtet absolut old fashioned ist. Wie dem auch sei – Begriffe insbesondere in unserem Geschäftsraum sind ohnehin wie Schall und Rauch. Die „Digitale Amnesie“ vor der inzwischen viele Companies stehen, ist längst ein Thema welches adressiert werden muss. Die Uni Berkley sagt voraus das in den nächsten 15 Jahren das weltweite gespeicherte Datenvolumen auf unfassbare 4,4 Exabyte ansteigt – hier ist Wissensmanagement in einer neuen Dimension gefragt und diese 4,4 EB sind nur Informationen noch lange kein Wissen. Der soziale Aspekt rückt weiter in den Vordergrund – dazu ein paar Gedanken.
    Eure Diskussion habe ich mit Spannung verfolgt und finde insbesondere die Themen Microblogging im PM Umfeld äußerst charmant. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten das genau diese Art des PM funktionieren kann. Zugegeben mein Mitstreiter lassen sich ungelogen zur Millenial Generation zählen, dennoch ist es spannend ein Projekt auf diese Art der Teamkommunikation zu leiten. Besonders spannend finde ich das ich sehr genau darüber nachdenken muss wie ich denn aktuell mein Projekt führe, dabei bin ich mir erst bewusst geworden das wir schon eine Art PM 2.0 vollziehen – wir haben keinen Plan der nur bei mir liegt, keine Information wird dem Team vorenthalten – jeder kann kommunizieren und partizipieren. Mein Team schätzt das sehr und fühlt sich involviert, auch in die Themen die gemeinhin als PM Voodoo bezeichnet werden. Die Herausforderung liegt in der Strukturierung des Kommunikationsverhaltens, der Kanalisierung – Tags sind schön und gut, der Nachteil ist das die Informationflut exzessiv ansteigt und man leicht den Überblick verlieren kann. Mir ist dabei besonders wichtig, das ein jedes Teammitglied weis wo das Projekt hinläuft auch wenn vielleicht einmal harkt, das Team dankt es mir indem es mir auch Zeit über normale Arbeitszeitverhältnisse hinaus schenkt (ja das ist selbst heute nicht alltäglich), ergo ich kann behaupten das sich meine Partner (ich denke das ist im PM 2.0 Zeitgeist zutreffender als Teammitglieder) als wichtige Teile des Ganzen sehen – das Prinzip „Ich bin wichtig“ nimmt zu. Ich bin gern bereit genau das meinem Team zu geben – Microblogging, Wikis, Blogs, IM, RSS ermöglichen das. Diese meine Erfahrungen treffen genau den 2. Punkt den Martina in ihrem Kommentar formuliert hat – Emotionalität. Ein Faktor der in den „alt hergebrachten“ PMI Methoden und wie sie alle heissen, unterschätzt wurden.

  7. Emotionalität ist ein interessanter Punkt, den wir bisher eigentlich noch gar nicht so gesehen haben wie die „Würze in der Kürze“. Aus meiner Sicht ist Microblogging gerade deshalb für die Projektkommunikation geeignet, weil durch die knappen (Mikro)-Formate sowohl zeitlich sehr eingespannte Teammitglieder als auch dem Schreiben eher abgeneigete Kollegen bereit sind, Inhalte in Form kurzer Notizen und Botschaften beizutragen. Das Notieren von wichtigen Dingen ist altbewährt, im Notizbuch, der “Kladde” oder auch in E-Mails, Instant Messages oder per SMS. In einem Microblog entsteht durch die Tagvergabe dann eine gut recherchierbare, nachverfolgbare Projektdokumentation, die gerade auch die Gedanken, Probleme und Entscheidungen zwischen größeren (und daher formaler dokumentierten) Meilensteinen abdeckt. Durch das Verfolgen eines Projektmicroblogs per RSS oder gelegentlichem Hineinschauen erleichtert es Projektleitern wie Teammitgliedern, den Überblick zu behalten.

Trackbacks und Pingbacks:

  1. centrestage Blog » Microblogging zur Projektkommunikation - 13. Oktober 2008

    […] Weitere Aspekte und einige Erfahrungen, die für ein Projektmanagement 2.0 sprechen, findet man im Beitrag von Frank Wolf. […]

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