Orientierung durch Navigation im Intranet

Sven Lindenhahn —  15. August 2011 — 1 Kommentar

Ein Intranet-Projekt hat viele Baustellen – eine davon ist das Thema „Navigation“ – das ich heute ein wenig beleuchten werde. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich kurz ein paar Worte zu den Begriffen Informationsarchitektur (IA) und Navigation verlieren. Oft kommen Fragen aus den Fachabteilungen auf wie z.B.: Was bedeutet denn eigentlich IA? In welchem Zusammenhang steht IA mit Navigation? Wie grenzen sich diese Begriffe voneinander ab – grenzen sie sich überhaupt ab? Was ist mit Usability – ist das auch ein Thema der IA? Um nur wenige Beispiele zu nennen.

Louis Rosenfeld gibt meiner Meinung nach eine angemessene Begriffsdefinition ab – ihm zufolge ist IA

The art and science of structuring, organizing and labeling information to help people find and manage it.

IA bedeutet demzufolge, verschiedenste Inhalte in einer gewissen Art und Weise so thematisch zu strukturieren und zu organisieren, dass diese dem Nutzer leicht zugänglich gemacht werden können. Eine Interpretationsmöglichkeit dieser relativ einfachen Definition ist, dass Informationsarchitektur eigentlich kein großes Thema bei einem Intranet-Relaunch ist. Bei näherer Betrachtung des Schwerpunktes „Organisieren“ von Inhalten, wird diese Annahme jedoch revidiert (siehe folgende Abbildung).

 Begriffe zum Thema IA

Zum einen ist es wichtig eine gute Basis für eine IA zu schaffen (z. B. Metainformationskonzept und Taxonomie), zum anderen müssen diese Informationen benutzerfreundlich abgebildet werden, um eine weitere Verwendung und Verarbeitungen zu gewährleisten. Auf eine tiefgehende Betrachtung der Begriffe Taxonomie, Ontologie etc. möchte ich an dieser Stelle verzichten. Hierzu folgen in Zukunft noch weitere Artikel auf unseren Blog.

Navigation

Wie der Name schon sagt, geht es beim Thema „Navigation“ um das eigentliche Navigieren innerhalb eines Systems. Somit ist Navigation ein Werkzeug, das die Nutzer in die Lage versetzt, Informationen die sie benötigen zu finden. Im Prinzip ist Navigation wie eine Art Stadtplan, der einem Nutzer zeigt, wie er von A nach B kommt. Dabei gibt es verschiedenste Wege um ein (bekanntes) Ziel zu erreichen – den normalen Weg, diverse Abkürzungen und die ungeplanten Strecken. Was damit gemeint ist? Der „normale“ Weg wird bspw. durch den Navigationsbaum beschrieben, d.h. Nutzer klicken sich durch eine horizontale und vertikale Navigation um schließlich ihr Ziel zu erreichen. Die Abkürzung beschreibt einen direkten Weg – z.B. kann eine Inhalts-Seite durch einen direkten Link auf der Startseite erreicht werden. Die Abkürzung führt dementsprechend schnell zum Ziel. Mit den „ungeplanten“ Strecken meine ich Navigations-Elemente wie „Verwandte Themen“ oder „Siehe auch“.

Diese Metapher zeigt, dass Navigation mehr ist als nur der eigentliche Navigationsbaum. Daher besteht eine gute Navigation im Intranet aus mehreren Elementen. All diese Elemente ermöglichen einen einfachen und intuitiven Umgang der Nutzer mit dem Intranet.

Beispiele für Navigations-Elemente:

  • Haupt-Navigation (Top-Navigation und Themen/Bereichs-Navigation)
  • Breadcrumb-Navigation
  • „Schaufenster-Navigation“
  • Kontextabhängige Navigation wie z.B. „Siehe auch“
  • Service-Navigation
  • Personalisierte Navigationselemente
  • Tag-Cloud-Navigation
  • Suche

Die folgende Abbildung zeigt exemplarisch eine Bereichs-Startseite der Abteilung Human Resources. Das „Schaufenster“ ist hierbei eine Art Quick-Link-Sammlung und enthält die wichtigsten Links zu Inhalten in diesem Bereich.

Bereich-Startseite Personal (Navigations-Elemente)

Ein Element der Navigation ist die Haupt-Navigation. Diese besteht im Regelfall aus zwei Elementen:

  1. Top-Navigation
  2. Themen- und Bereichs-Navigation

Ziel muss es sein, eine robuste und themenorientierte Hauptnavigation zu entwickeln, die auch für die Mehrzahl der Nutzer verständlich ist. Umso wichtiger ist es, dass die Oberbegriffe eindeutig, verständlich und überschneidungsfrei formuliert sind. Das ist für jedes Unternehmen eine Herausforderung, weil jeder Mitarbeiter eine eigene Sicht auf das Unternehmen hat. Die Entwicklung einer, für alle Nutzer idealen, Hauptnavigation ist ein nicht zu erreichendes Ziel. Daher ist es umso wichtiger einen guten Kompromiss für die breite Masse zu entwickeln.  

ABER wie kommt man da hin?

Vom Card-Sorting zur Top-Navigation

Allgemein

Ein bewährtes Mittel zur Entwicklung einer neuen Hauptnavigation ist die Card-Sorting Methode. Card-Sorting bedeutet vereinfacht: Teilnehmer müssen Karten auf denen Begriffe stehen thematisch sortieren. Dabei gibt es, je nach Rahmenbedingungen, folgende Varianten der Durchführung:

  • Offen vs. Geschlossen
  • Workshop vs. Online

Bei einem offenen Card-Sorting gibt es keine Vorschriften bzgl. der Strukturierung der Begriffe, d.h. die Teilnehmer gruppieren die vorgegebenen Begriffe und geben den gebildeten Gruppen anschließend einen Namen (Oberbegriffe). Im Gegensatz dazu werden bei einem geschlossenen Card-Sorting die Gruppen (Oberbegriffe) vorgegeben und die Teilnehmer müssen die Begriffe diesen Gruppen zuordnen. Erfahrungsgemäß empfehlen wir bei einem geschlossenen Card-Sorting eine leichte „Auflockerung“, indem eine Gruppe „Wohin mit dem Begriff“ angeboten wird. Somit ist der Teilnehmer nicht gezwungen, einen für ihn unklaren Begriff, einer Gruppe zuzuordnen. Dies hat zudem den Vorteil, dass z.B. unklare Begriffe oder auch veraltete Themen identifiziert werden können

Unabhängig davon ob offen oder geschlossen, kann ein Card-Sorting sowohl im Rahmen eines Workshops oder Online durchgeführt werden. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Bei einem Workshop können Gestiken, Mimiken und Reaktionen der Teilnehmer während des Prozesses wahrgenommen werden. Beispielsweise kann anhand der Körperhaltung Interesse oder Abneigung zu einem Thema interpretiert werden. Zudem kann die Non-Verbale-Kommunikation auch auf Probleme und Schwierigkeiten hinweisen, wenn z.B. ein Teilnehmer mehrere Minuten lang keine Begriffe mehr sortiert hat und ein „großes Fragezeichen“ im Gesicht hat. Hier kann der Moderator sofort einwirken und die Situation hinterfragen. Inhaltlich kommt es bei vielen Kunden immer wieder vor, dass die Teilnehmer der Meinung sind, dass gewisse Themen so relevant sind, dass diese auf der Intranet-Startseite platziert werden müssen (z.B. im Sinne von Widgets). Hier kann der Moderator sofort reagieren und erklären, warum eine Zuordnung dennoch erforderlich ist. Zudem sind diese „Randinformationen“ wichtig für die Planung eines Intranets. Ein wesentlicher Vorteil der Online-Variante ist, dass mit geringem Aufwand ein großer Nutzerkreis teilnehmen kann.

Vorgehensweise (offenes/geschlossenes Card-Sorting)

Bei Workshops zu einem offenen oder geschlossenen Card-Sorting empfehlen wir folgende Vorgehensweise:

  1. Jeder Teilnehmer gruppiert die Begriffe und gibt den Gruppen einen Namen (Oberbegriffe).
  2. Jeder Teilnehmer stellt sein Ergebnis kurz der Teilnehmergruppe vor:
    Warum diese Gruppierung und keine andere?
    Wobei gab es Schwierigkeiten?
    Welche Begriffe waren unklar?
    Welche wichtigen Themen fehlen?
  3. Nur bei einem offenen Card-Sorting zu beachten: Zum Abschluss, erfolgt eine Konsolidierung aller Einzelergebnisse, um schließlich z.B. eine gemeinsame Top-Navigation zu entwickeln. Das Konsolidieren erfolgt in der Gruppe, aber mit Unterstützung der Experten (Moderatoren). Wichtiger Hinweis: Die Konsolidierung der Einzelergebnisse erfolgt ausschließlich anhand der Oberbegriffe. Dies dient zur Komplexitätsreduzierung und ermöglicht somit z.B. die Entwicklung der Top-Navigation.

Best Practice

Unsere Best Practice Regeln für ein offenes Card-Sorting:

  • Begriffe in max. 8 Gruppen einsortieren
  • Untergruppen können erstellt werden (max. eine weitere Ebene)
  • Oberbegriffe (Name der Gruppen) können auch Begriffe sein
  • Leere Karten für die Teilnehmer, um fehlende Begriffe zu ergänzen.
  • Unklare Begriffe nicht zuordnen und zur Seite legen
  • Zeit: ca. 30 Minuten – kein Problem, wenn es länger dauert
  • Möglichst für sich arbeiten

Aus unseren Erfahrungen empfehlen wir, dass offene Card-Sortings immer im Rahmen von Workshops durchgeführt werden sollten – das liegt vor allem an der Konsolidierung der Einzelergebnisse. Hier besteht eine Notwendigkeit der Kommunikation und einer Diskussion innerhalb des Teilnehmerkreises.

Wie bereits erwähnt, besteht die Hauptnavigation aus den zwei Elementen: 1. Top-Navigation und 2. Themen- und Bereichs-Navigation. Die Anwendung der Card-Sorting Methode kann sowohl für die Entwicklung der Top-Navigation als auch für die der Themen- und Bereichs-Navigation angewendet werden.

Die folgende Abbildung beschreibt schließlich den Weg vom Card-Sorting hin zur Top-Navigation (auf Basis unserer Empfehlung).

Prozess Card-Sorting

Ein geschlossenes online Card-Sorting eignet sich hervorragend, um z.B. einen ersten Entwurf einer Top-Navigation zu testen. Die Regeln bei der Online-Variante entsprechen denen des Workshops. Mit Hilfe des online Card-Sortings kann eine breite Masse der zukünftigen Nutzer befragt werden. Zudem vermittelt es den Mitarbeitern das Gefühl, ein Teil es Intranet-Projektes zu sein und an der Entwicklung der neuen Top-Navigation beteiligt zu sein. Ein online Card-Sorting ist zudem ein gutes Kommunikationsmittel, um die Mitarbeiter über den aktuellen Stand des Intranet-Projektes zu berichten. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft ein geschlossenes online Card-Sorting.

Online Card-Sorting (geschlossen)

Wie testet man eine Top-Navigation?

Weiterhin besteht die Möglichkeit, eine bestehende Top-Navigation gezielt durch Aufgaben zu testen. Das bedeutet, dass die Testpersonen definierte Aufgaben erhalten, die sie zu lösen haben. Wie beim Card-Sorting, kann dieser Test sowohl als Workshop als auch Online durchgeführt werden. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Online-Variante mit der Aufgabe: Sie sind neu bei der T-Systems und möchten sich über Ihren Standort informieren. Wo finden Sie Informationen zum Standort Dresden?

Aufgaben zum Testen einer Top-Navigation

Mit Hilfe von drei Kennzahlen erfolgt schließlich die Bewertung der getesteten Top-Navigation:

  1. Zielerreichung, d.h. haben die Testpersonen den richtigen Weg gefunden
  2. Abweichung vom direkten Weg
  3. Zeitaufwand

Hierbei sind die ersten beiden Kennzahlen von besonderer Bedeutung bei der Bewertung. Sie zeigen auf, inwieweit der Nutzer auf den ersten Blick den richtigen Weg findet.

Fazit

Die Entwicklung einer Hauptnavigation ist kein Projekt sondern ein Prozess – d.h. die Navigationsstruktur sollte immer wieder in regelmäßigen Abständen aufs Neue getestet werden. Oftmals erleben wir, dass das Thema Hauptnavigation lediglich als ein Randthema in einem Intranet-Projekt gesehen wird. Unserer Meinung nach, ist die Entwicklung einer aufgaben- und themenorientierten Top-Navigation ein wichtiger Erfolgsfaktor in einem Intranet-Projekt. Mit Hilfe der Card-Sorting Methode wird z.B. die Top-Navigation in Zusammenarbeit mit den zukünftigen Nutzern entwickelt und diese somit in den Entwicklungsprozess integriert. Es ist immer wieder schön zu sehen, mit welcher Begeisterung der Großteil der Teilnehmer am Card-Sorting teilnimmt und welche Ergebnisse in der Zusammenarbeit dabei entwickelt werden. Zudem zeigt es auch den Teilnehmern die Komplexität, eine für die Mehrheit der Nutzer verständliche Navigation zu ermitteln.

Suche vs. Navigation

Bei vielen „Social Intranets“ steht vor allem eine gute Suche im Vordergrund und nicht die Hauptnavigation. Häufig hören wir Aussagen wie: Wir brauchen vor allem eine gute Suche und weniger eine neue Struktur! ODER Wenn ich meine Informationen über eine gute Suche finde, brauche ich keine Hauptnavigation!

Wir sind dennoch der Meinung, dass beides wichtig ist – ein Großteil der Nutzer benötigt trotz einer guten Suche ein „Gerüst“ für das Intranet, an dem sich der Nutzer ggf. durchhangeln kann. Zu diesem Thema gibt es sehr viele Meinungen und Studien – hier eine Auswahl von drei Ansichten:

James Robertson – einer der weltweit bekanntesten Intranet Berater – sagt hierzu:

Without navigation, staff would have no clue what to use the intranet for, or what it could offer them.

Jakob Nielsen’s Alertbox: Top 10 Information Architecture Mistakes – vor allem die ersten beiden Punkte „No Structure“ und „Search and Structure Not Integrated“

The Perfect Search Engine Is Not Enough: A Study of Orienteering Behavior in Directed Search.“ Die Studie vergleicht Suche (Keyword Search) mit browsing (Directed Search) genannt. Eine Aussage der Studie:

Instead of jumping directly to their information target using keywords, our participants navigated to their target with small, local steps using their contextual knowledge as a guide, even when they knew exactly what they were looking for in advance. This stepping behavior was especially common for participants with unstructured information organization. The observed advantages of searching by taking small steps include that it allowed users to specify less of their information need and provided a context in which to understand their results.

Unsere Meinung dazu: Ein Intranet-Projekt kann nur dann erfolgreich sein, wenn das Thema Navigation ausreichende Berücksichtigung findet.

Wie ist Ihre Meinung dazu? Haben Sie bereits zu Thema Navigation Erfahrungen gesammelt?

Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen und Meinungen dazu.

Quellen / Interessante Links:

http://www.optimalworkshop.com/ (OptimalSort und Treejack)

http://www.steptwo.com.au/papers/cardsorting/index.html

Ein Kommentar zu Orientierung durch Navigation im Intranet

  1. Sehr guter Artikel. Das Thema wird leider zu oft vernachlässigt. In einem meiner erfolgreichsten (Intranet)-Projekte habe ich viel mit Workshops und Karten gearbeitet um die Navigation zu definieren – ich kann also das Fazit des Artikels bestätigen. Interessanterweise war die von den Usern erarbeitete deutlich anders als die vom Kernteam zu Beginn favorisierte.

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