Starke Argumente: Social Software und die Hirnforschung

Frank Wolf —  9. Juni 2009 — 3 Comments

Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Joachim Bauer beschreibt in seinem Buch „Prinzip Menschlichkeit: Warum wir von Natur aus kooperieren“ was uns diese Fortschritte über unseren Antrieb und unsere ureigenste Motivation als Menschen verraten. Die Kernaussage seines Buches lässt sich durch folgendes Zitat gut zusammenfassen:

„Alle Ziele, die wir im Rahmen unseres normalen Alltags verfolgen, die Ausbildung oder den Beruf betreffend, finanzielle Ziele, Anschaffungen etc, haben aus der Sicht unseres Gehirns ihren tiefen, uns meist unbewußten „Sinn“ dadurch, dass wir damit letztlich auf zwischenmenschliche Beziehung zielen, das heisst, diese erwerben oder erhalten wollen. Das Bemühen des Menschen als Person gesehen zu werden steht noch über dem, was landläufig als Selbsterhaltungstrieb bezeichnet wird.“

Diese Ansichten sind im betrieblichen Umfeld nicht neu. Die 2 Faktoren Theorie von Frederick Herzberg, der Hygienefaktoren (zur Herstellung von Zufriedenheit) und Motivatoren (zur Vermeidung von Unzufriedenheit) als zwei im Ansatz völlig verschiedene Bereiche zur Herstellung von Arbeitsmotivation beschreibt wurde zum ersten Mal 1959 veröffentlicht. Neu ist, dass diese Erkenntnisse nun auch tatsächlich von der Hirnforschung bestätigt, und mit weiteren Details unterfüttert werden.

Was heisst das für Social Software?

Neu ist auch, dass es mit Web 2.0 Technologien endlich auch Tools zur Zusammenarbeit gibt, die diese Erkenntnisse wirklich verinnerlicht haben und ernst nehmen. Dass Social Software den Menschen (und sein Bild) so in den Mittelpunkt stellen, dass Kommentare vor allem dafür genutzt werden, um Anerkennung und Zuspruch zu äußern, macht deutlich, dass es hier um den Menschen geht – er kann sich als Person mit seinen Inhalten darstellen und wird damit auf ganz neue Weise motiviert. Die Bedeutung dieses vermeintlich einfachen Schrittes kann man am besten nachvollziehen, wenn man sich Tools ansieht, mit denen wir seit vielen Jahren arbeiten: Explorer, Excel, Word, SAP… – der Mensch steht dort nicht im Mittelpunkt, alles ist wichtig (Dateiart, Grösse, Letzte Änderung,…), aber WER etwas geschrieben, oder editiert oder gelesen hat, ist in den meisten Fällen nur schwer herauszufinden.

Wenn Unternehmen also darüber nachdenken, wie man (hochbezahlte) Mitarbeiter möglichst optimal motivieren kann, dann sind diese neuen Erkenntnisse der Hirnforschung sicher ein weiterer Grund, Social Sofware für die Zusammenarbeit im Unternehmen, aber auch mit Partnern und Kunden verstärkt zu nutzen. Ich habe das Thema auch im Rahmen eines Vortrags über die Grundlagen des Enterprise 2.0 bei Prof. Bernd Schmitz an der RFH Köln näher beleuchtet, ein Mitschnitt ist nun auch online verfügbar. Noch mal vielen Dank für die Einladung nach Köln!

3 responses zu Starke Argumente: Social Software und die Hirnforschung

  1. Ein interessanter Ansatz, Frank. Insbesondere der Hinweis auf die De-Personalisierung bisherhiger digitaler Medien finde ich aufschlussreich. Nur sollte man beachten, dass die auf Personalität zielenden „Hygienefaktoren“ die eine – positive – Seite der Web 2.0 – Medaille sind. Auf der anderen Seite finden wir Faktoren, die zur Demotivation beitragen (Bashing, Mobbing, Grüppchenbildung, etc.). Diese Faktoren können durch dieselben Tools ebenfalls verstärkt hervorgerufen werden. Davon hört man bisher noch nicht allzu viel. Wenn Collaboration aber ein Teil des betrieblichen Alltags wird, dann können wir davon ausgehen, dass Web 2.0 – Tools die Kommunikation in diesem Alltag mitbestimmen werden. Und oben genannte Konfliktszenarien gehören nun mal eben zum betrieblichen Alltag.

    Deshalb ist das Gestalten des Umfeldes für die Collaboration sehr wichtig, z.B.:

    gemeinsam erarbeitete Grundsätze für die Form der Collaboration;
    Diskurs-ethische Grundstätze (z.B. Paradigmen der Sachlichkeit, die Macht des besten Argumentes, Gleichheitsgrundsätze, etc.)
    Themen, die ausgespart bleiben sollten und solche, die einbezogen werden sollten;
    dezente Konditionierung hin zu einer hohen Toleranz für Rechtschreibfehler;
    Wissensteilung als Selbstverständlichkeit
    etc.

    Eine kleine Verfassung muss also erarbeitet werden. Darauf wird der Betriebsrat in den meisten Fällen (bzw. zukünftig) ohnehin drängen.

  2. Da stimme ich voll zu. Allerdings hat die Offenheit selbst im schlimmsten Fall (z.B. Mobbing) ihre Vorteile – es wird transparenter, nachvollziehbarer und beweisbarer. Die Hoffnung und unsere aktuelle Beobachtung ist deshalb, dass sich aufgrund der hergestellten Öffentlichkeit alle ein wenig zivilisierter  aufführen:-)

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