In den aktuellen Diskussionen rund um das Thema Enterprise 2.0, ist diese Frage für mich eine der spannendsten überhaupt. Warum? Weil ich glaube, dass das Intranet der wichtigste Katalysator für den Einzug von Social Software in den Unternehmen sein wird. Jeder Intranet Manager, der aktuell einen Relaunch plant, überlegt, wie er neben der Kommunikation auch Funktionen für die Zusammenarbeit und Vernetzung etablieren kann. Web 2.0 Elemente stehen da ganz oben auf der Liste. Wesentlich weiter unten finden sich demgegenüber ROI Diskussionen, denn ein Intranet ist ab einer bestimmten Unternehmensgröße Pflicht und liegt eher in der Kategorie „Cost of doing Business“. Nichtsdestotrotz ist ein Intranet 2.0 auch im Bereich Kosten sehr interessant: wenn das bisherige Intranet und bestehende Kollaborationsanwendugen auf einer Plattform zusammengefasst werden können, dann sind Einsparungen im Bereich Hardware, Lizenzen und Integration durchaus realistisch.
Schritt für Schritt zum Enterprise 2.0
Ein Intranet 2.0 ist eine hervorragende Plattform und Basis für verschiedenste Anwendungsfälle von Social Software im Unternehmen, die sich hier geschützt und schrittweise entwickeln können. Dabei kann der Startpunkt durchaus ein eher klassisches Intranet sein, in dem man dann Schritt für Schritt interaktive Komponenten wie Kommentare, Ratings, offene Bereiche oder Profile einführt. Organisationen und Mitarbeiter werden so nicht überfordert und haben genügend Zeit sich die neuen Möglichkeiten aber auch die Herausforderungen gelassen zu erschließen.
Interessant ist dieser Prozess auch und vor allem aus technologischer Sicht. Denn wenn bislang für Intranets ein Web Content Management System (ich verwende im Folgenden die Abkürzung CMS) als gesetzt galt, ist nun ein ganz neuer Herausforderer in den Ring gestiegen und macht dem Platzhirsch CMS das natürliche Anrecht auf die Intranets dieser Welt streitig: Social Software Suites. Damit meine ich nicht reine Wikis wie ein Mediawiki oder reine Blogssoftware (obwohl WordPress für sehr kleine Intranets durchaus eine Alternative wäre), sondern komplexere Lösungen wie IBM Connections, Jive SBS, Socialtext oder Atlassian Confluence, die Features wie Blog, Wiki, Forum und Social Network in sich vereinen und sich dem Nutzer als integrierte Lösung präsentieren. Microsofts Sharepoint ist hier ein Sonderfall, denn er beinhaltet sowohl ein CMS als auch eine Social (ja, ab 2010 schon) Collaboration Suite. Er ist in beiden Klassen zwar jeweils nicht die absolute Spitze, aber diese breite funktionale Aufstellung ist für sich schon wieder ein starkes Argument.
Die Kontrahenten rüsten auf
Beide Seiten haben ihre Defizite auf dem Weg zu einem Intranet 2.0 und damit zu einem ihrer wichtigsten zukünftigen Märkte erkannt. CMS Anbieter fügen ihren Tools Web 2.0 Komponenten hinzu – das gilt sowohl für kommerzielle wie Coremedia oder Documentum als auch für Open Source Frameworks wie Drupal oder Typo3. Social Software Suites werden um eher klassische CMS Features wie Freigabeworkflows, Archivierung und Personalisierungsfunktionen erweitert. Jedoch stehen in diesem Wettlauf die CMS Hersteller vor einer besonderen Herausforderung, denn sie müssen zwei grundsätzliche Zielszenarien im Auge behalten: Internet und Intranet. Solange es nur um das möglichst effiziente Veröffentlichen redaktionierter Inhalte ging, waren sich beide Szenarien sehr ähnlich. Mit einem Intranet 2.0, mit seinem deutlich gestiegenen Fokus auf Zusammenarbeit und Vernetzung, driften beide Szenarien nun aber wesentlich weiter auseinander.
Es wird spannend zu sehen, wie CMS Anbieter mit dieser Herausforderung zwischen mittelmäßigem Alleskönner und spezialisierter Anwendung langfristig umgehen (Siehe dazu auch die Einschätzung von Jeremiah Owyang). Social Suites wie z.B. Jive werden zwar auch im Internet eingesetzt, verrichten dort aber nur Spezialaufgaben wie ein Kundenforum (z.B. Apple), sie werden auf absehbare Zeit nicht die Internetpräsenz eines Unternehmens abbilden wollen.
Kann eine Social Software Suite ein Intranet abbilden?
Die ganz praktische Frage vieler Unternehmen in den nächsten Monaten und Jahren wird aber sein: Bilden wir unser neues Intranet mit einem CMS oder einer Social Software Suite oder einer Integration aus beidem ab? Wer diese Frage für sich gut beantworten will, sollte zunächst verstehen, welche klassischen Funktionen und Stärken eines CMS man in einem Intranet wirklich benötigt und wie die Social Software Suites gegenwärtig in der Lage sind, diese Funktionalitäten alternativ abzubilden. Eine erste Auflistung:
- Einfacher Import und Erstellung von Inhalten
- Redaktions- und Freigabeprozess
- Personalisierung
- Wiederverwendbarkeit von Inhalten
- Archivierung
- Strukturierung und Kategorisierung von Inhalten
- Flexible Templates
- Performance
- Reporting (über Inhalte und Nutzer)
- Nutzerrollen und Nutzerberechtigungen
- Suche und Findbarkeit
- Verschiedene Ausspielkanäle (Web, Mobil,..)
- Mehrere Mandanten und Sprachen
- …
Bei einigen der Punkte ist schnell klar, dass es hier große Unterschiede zwischen einem Intranet für 2.000 oder einem Intranet für 200.000 Mitarbeiter geben wird. Ein Global Intranet wird für eine Social Suite sicher eine ganz andere Herausforderung sein, als die interne Plattform eines Mittelständischen Unternehmens.
Ein spannendes und hochaktuelles Thema! Ich werde dazu am kommenden Mittwoch dem 11.11.09 ab 11:55 auch einen Workshop beim Enterprise 2.0 Summit in Frankfurt unter dem Titel „The Social Intranet – an Evolution from Content Management or a Revolution by Social Software?” abhalten und freue mich dort auf rege Diskussionen und Anregungen. Die Ergebnisse und eine zusammenfassende Bewertung der aufgeworfenen Fragen werden wir hier auf besser20 dann schnellstmöglich veröffentlichen.
Hallo
Was sind den die besten SBS für mittelständische Unternehmen, die bspw. auch die Kunden HelpDesk einbinden möchten?
mfg
Peter Weissmüller
Ich habe mir in letzter Zeit einige solcher Social Software angesehen und muss leider sagen, sie haben mich meistens sehr enttäuscht. Die anfängliche Begeisterung ist schnell verflogen, hauptsächlich aus dem Grund der Unflexibilität dieser Umgebungen. Es sind ja doch sehr eigene Systeme, die abgetrennt des gesamten Intranets funktionieren. Viele Kunden haben jedoch schon ein CMS im Intranet im Einsatz und möchten soziale Komponenten integrieren. Hier eine SBS anzubieten wäre strategisch, meines Erachtens, verkehrt – zumindest bei Kunden mit mehreren Mitarbeitern.
Es bleibt auf jeden Fall spannend und ich freue mich schon auf Ihr Workshop Ergebnis 🙂
Viele Grüße
Bianca Gade
PS: Jive hat mich übrigens am Meisten begeistert
Sie sprechen ja den wichtigsten Punkt an: ein fortgeschrittene SBS is ohne weiteres in der Lage ein Intranet zu ersetzen (zumindest bis zu einer gewissen Unternehmensgröße) – sie also danebenzustellen wäre keine gute Idee (man könnte auch fast von Verschwendung sprechen) – denn dann müsste man die in Frage kommenden Anwendungsfälle ja aufteilen, was eigentlich nicht zufridenstellend zu leisten ist. Wenn, dann richtig integrieren, aber das wäre aus meiner Sicht immer nur die zweitbeste Lösung. Sie sollten mit den bestehenden SBS auch nicht so streng sein – wirklich Attraktiv werden solche Systeme vor allem durch Inhalte und Nutzung – dann kann man auch viel besser erfassen, was damit alles geht. Ein Übersicht über die aus unserer Sicht wichtigsten Tools auf dem Markt, gibt es übrigens seit letzten Mittwoch unter http://www.socialsoftwarematrix.org – ein Projekt unseres Teams, das wir als Beta Version schon mal veröffentlicht haben und beim offiziellen Start dann hier auch noch einmal ausführlich vorstellen wollen. Eine erste Zusammenfassung des Intranet 2.0 Workshops wird hier in Kürze auch veröffentlicht.
Viele Grüsse
Frank Wolf
@Peter Weissmüller:
Grundsätzlich würde ich zunächst auf die http://www.socialsoftwarematrix.org verweisen, für einen ersten Überblick und dort vor allem auf den Use Case „Enterprise Communication„. Wir sind dabei, noch weitere Systeme hinzuzufügenn, vor allem auch aus dem Open Source Bereich. Ein Kunden Help Desk braucht als Basis starke Funktionalitäten im Bereich Diskussionsforum (Beiträge einstellen, Bewerten, Beantworten, Benachrichtigungsfunktion, gute Kategorisierung und übergreifende Navigation, einfachste Unsabilty, Dashboard für bessere Übersicht, Moderationsfunktionen, Missbrauch melden Funktion, …) und dann kommt es ganz darauf an, ob sich eher die Kunden gegenseitig helfen sollen, oder viele eigene Customer Service Agents aktiv sind. Extreme sind hier möglich, aber auch alles dazwischen ist denkbar. Es gibt Foren, da beantworten die Service Agents 100% der Anfragen selbst und einige unserer Kunden haben zentrale Communities in denen Sie nur noch 1% alle Kundenanfragen selbst beantworten müssen – der Rest kommt von anderen Kunden! Damit verändern sich auch sehr die Anforderungen an eine Customer Service Community.
Hilft das erst mal?
Viele Grüsse
Frank Wolf
Hallo Herr Wolf,
vielen Dank für den Link, das ist ein sehr interessantes Projekt und für eine Orientierung toll. Ich überlege mir dies auf meinem Blog vorstellen.
Sicher wird erst durch die intensive Nutzung eines solchen Systems erst der Umfang deutlich. Leider sind Testumgebungen anfangs recht „einsam“ und irgendwann komme ich in die Situation eine Liste im Kopf mit Bewertungen abzuarbeiten. Vermutlich auch nicht ganz gerecht, nur stellt sich mir die Frage: Wie kann man dies alles mit vielen Inhalten und Menschen testen? Von daher finde ich die Matrix gut und brenne schon auf eine Erweiterung der Systeme.
Herzliche Grüße
Bianca Gade
Hallo Herr Wolf
Ja, hilft vorerst mal. Besten Dank
mfg
peter Weissmüller
Hallo Herr Wolf
Wäre sehr interessiert an Ihrem Kommentar oder Bewertung von
– http://www.Cynapse.com
– http://www.outstart.de
mfg
peter weissmueller
Hallo Herr Wolf,
gibt es zu besagten Workshop schon ein Ergebnisdokument ?
Grundsätzliche ist die Frage WCMS + Web2.0 Erweiterungen versus Social Media Plattform + Mini WCMS auch bei uns ein Thema.
Vielleicht können Sie zu unserem Treffen dazu einige Informationen mitbringen.
Gruß
Michael Volkmar