Agiles Projektmanagement oder doch lieber den alt bewährten Weg? Diese Frage wird intensiv in der IT-Community diskutiert – dabei geht es oftmals vor allem um agile Methoden wie z.B. Scrum oder agile Praktiken wie beispielsweise Collective Code Ownership und Stand-Up-Meetings.
Was bringt agil? – hier zeigen wir, dass Agilität einen positiven Effekt auf die so wichtige Teamentwicklung in Projekten hat. Basis für diese Aussage ist einer Untersuchung von 190 Softwareentwicklungsprojekten, welche ich im Rahmen meiner Diplomarbeit, in Zusammenarbeit mit Eberhard Huber durchgeführt habe.
Von der Gruppe zum Team
Menschen, die in einem Projekt zusammen arbeiten, bilden zwar immer eine Gruppe, aber nicht zwangsläufig auch ein Team. Warum diese Unterscheidung?
Am Anfang eines Projektes erfolgt zunächst die Zusammenstellung eine Projektgruppe. Um von einer Gruppe oder auch von „echter“ Gruppenarbeit zu sprechen, gibt es z. B. folgende Bedingungen:
- Die Gruppe muss aus mindestens 3 Personen bestehen, hat einen gemeinsamen Arbeitsauftrag und verfolgt dementsprechend ein gemeinsames Ziel.
- Die Zusammenarbeit erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Dies ist unerlässlich, damit sich soziale Strukturen entwickeln können.
- Das Gruppenklima ist zu Beginn durch ein (schwaches) Wir-Gefühl geprägt.
Diese sehr allgemein gehaltenen Gruppenmerkmale sagen aber noch nichts über die Leistungsfähigkeit der Gruppe aus. Auch wenn beispielsweise ein schwaches Wir-Gefühl vorhanden ist, besteht trotzdem die Möglichkeit, dass die Gruppenarbeit sehr ineffizient ist, da sich z.B. nicht alle Gruppenmitglieder aktiv an der Zusammenarbeit beteiligen oder auch eigene persönliche Ziele verfolgen. Ein Team dagegen zeichnet sich durch folgende Faktoren aus: harmonische Zusammenarbeit, stark ausgeprägtes Wir-Gefühl (Teamspirit), eine gemeinsame Vision (die persönlichen Ziele werden dem Primärziel untergeordnet), gegenseitige Motivation und Unterstützung, Fähigkeit zur Selbstorganisation und gemeinsame Problemlösungen. Ein Team ist in der Lage, ohne explizite Anweisungen, Entscheidungen im Sinne des Projektzieles zu treffen und das vor allem auch in Krisensituationen. Francis/Young definieren den Teambegriff wie folgt:
„Ein Team ist eine aktive Gruppe von Menschen, die sich auf ein gemeinsames Ziel verpflichtet haben, harmonisch zusammenarbeiten, Freude an der Arbeit haben und hervorragende Leistungen bringen.“
Die Teammerkmale sind aber nicht einfach so vorhanden, sondern entwickeln sich erst im Laufe der Zusammenarbeit. Im besten Fall entwickelt sich eine Gruppe, im Zuge eines sogenannten Teamentwicklungsprozesses, zu einem echten Hochleistungsteam.
Gibt es aber einen messbaren Zusammenhang zwischen der Teamentwicklung, den daraus resultierenden Teammerkmalen und dem Projekterfolg? Die durchgeführte Untersuchung von 190 Softwareentwicklungsprojekten im Rahmen einer Online-Umfrage zeigt, dass die Erfolgsquote von Teams fünfmal höher als die von Gruppen mit schlecht-ausgeprägten Teammerkmalen ist.
Erfolgsquote von Gruppen und Teams – Berechnung Mittelwert der abgefragten Teammerkmale
Um einen Zusammenhang zwischen der Teamqualität (Ausprägung der Teammerkmale) und dem Projekterfolg zu ermitteln, wurden insgesamt 16 ausgewählte Teammerkmale erhoben, mit denen sich die Qualität des Projektteams feststellen lässt. Eine starke Ausprägung dieser Teammerkmale ist ein Indikator dafür, dass sich die Projektgruppe konstruktiv zu einem Team entwickelt hat – hierzu wurde jeweils für die erfolgreichen, eingeschränkt erfolgreichen und nicht erfolgreichen Projekte ein Mittelwert der einzelnen Teammerkmale ermittelt. Projekte mit stark ausgeprägten Teammerkmalen werden im grünen Bereich, schlecht funktionierende Gruppen im roten Bereich, des Netzdiagramms repräsentiert.
Ausprägung Teammerkmale – Projekterfolg
Die zentrale Aussage ist: Erfolgreiche Projekte zeichnen sich offensichtlich durch gute Teams aus. Hier stellt sich jetzt nun die Frage, was zuerst da war – der Projekterfolg oder die ausgeprägten Teammerkmale? In Hinblick auf Projekterfolg und Teamqualität lauten die möglichen Antworten wie folgt:
- Eine konstruktive Teamentwicklung lässt aus einer Gruppe ein echtes Hochleistungsteam entstehen und ermöglicht somit den Projekterfolg.
- Die Teamentwicklung im Verlaufe des Projektes wird durch den sich anbahnenden Projekterfolg befördert
Die Antwort ist also „sowohl als auch“ – die gegenseitige Wechselwirkung der Teamentwicklung mit dem sich anbahnenden Projekterfolg ist sicher vorhanden – trotzdem lässt sich folgendes Zwischenfazit formulieren:
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Erfolgsaussichten eines Projekts mit einem Team höher sind als mit einer schlecht funktionierenden Gruppe.
Was hat das aber nun mit agilen Vorgehensweisen zu tun?
Agile Methoden und Praktiken fokussieren unter anderem den einzelnen Projektmitarbeiter, das Teams als solches und schließlich den Teamentwicklungsprozess. Beispielsweise fördert die Anwendung von Retrospektiven den Lessons Learned Prozess während des Projektes und auch den Mut, Änderungen am Prozess voran zu treiben. Durch tägliche Treffen (z.B. Stand-Up-Meetings oder Daily Scrum Meetings) wird die Möglichkeit zur direkten Kommunikation und zum Informationsaustausch geschaffen.
Die Umfrage-Teilnehmer sollten aufgrund ihrer Erfahrungen einschätzen, inwieweit (agile) Praktiken ausgewählte Teammerkmale beeinflusst hatten. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Alle sieben untersuchten Praktiken wurden in Bezug auf deren Einfluss auf die Teammerkmale überwiegend als förderlich eingestuft. Die Praktiken wirken dementsprechend positiv auf den Teamentwicklungsprozess und somit indirekt auf den Projekterfolg.
Einfluss Praktiken und Teammerkmale (Grüne Hervorhebung wenn mehr als 80% der Probanden die Praktik als förderlich eingestuft haben)
Fazit
Nicht jede Gruppe ist auch gleichzeitig ein Team und ein Team ist keine Selbstverständlichkeit sondern vielmehr ein Resultat von „teamorientierten“ Projektmanagement. Hierbei können die agilen Praktiken unterstützen, indem diese auf den Teamentwicklungsprozess und den daraus resultierenden Teammerkmale (Teamqualität) förderlich wirken. Insbesondere bei Teamgrößen von vier bis acht Personen scheint die Teamqualität ein entscheidender Erfolgsfaktor zu sein.
Bei weiterem Interesse bzgl. der Teamentwicklung: ein umfangreicherer Ergebnisbericht findet sich in der Fachzeitschrift OBJEKTspektrum,(Online-Artikel: Teamwork: Warum Projektteams erfolgreicher sind als Projektgruppen)
Gute Zusammenfassung 🙂
Ich hätte noch eine ergänzende Auswertung der Daten:
http://www.pentaeder.de/projekte/2009/07/15/agile-methoden-erfolgreicher-als-klassische/
Wie ist denn der „Erfolg“ eines Softwareentwicklungsprojektes definiert? In der bekannten Langzeitstudie, dem Chaos-Report werden zur Bestimmung des Erfolgs die drei Kriterien „in-Time“, „in-Budget“ und ursprünglich geforderten Funktionsumfang zugrundegelegt.
Wenn man diese Kriterien zur Bestimmung des Erfolgs zugrundegelegt, dann sind lt. dem Chaos-Report 2008 32% aller Projekte erfolgreich, im Gegensatz zu 25% in dieser Studie.
Was aber sind „in-Time“, „in-Budget“ und ursprünglich geforderter Funktionsumfang in AGILEN Entwicklungsprojekten?
In vielen anderen Studien zu den Schlüsselfaktoren eines Softwareentwicklungsprojektes taucht Teamqualität wenn überhaupt nur unter vielen anderen Faktoren auf. In dieser Untersuchung wird scheinbar Teamqualität als die (einzige) bestimmende Größe für den Projekterfolg gesehen. Was spricht für diese Annahme?
Ich hab dazu den Blog-Post „Untersuchung zu den Erfolgsfaktoren in Projekten“ gelesen, fand zu meinen beiden Fragen aber dort noch keine Antwort.
Hallo,
wo laesst sich denn Ihre Arbeit finden, um sich Methodik und Validitaet anzuschauen?
Danke,
Dirk Riehle
@Joachim Niemeier
Zunächst eine Antwort auf die Frage: Wie ist Erfolg definiert?
Wann ist ein Projekt erfolgreich und wann nicht – diese Frage wird kontrovers diskutiert – folgt man dem klassischen Weg und auch dem Chaos Report ist ein Projekt dann erfolgreich, wenn alle zu Beginn geplanten Anforderungen im Zeit- und Budgetrahmen umgesetzt wurden. Andere dagegen (vor allem Vertreter agiler Vorgehensweisen) betrachten die Kundenzufriedenheit als wesentliches Erfolgskriterium.
Im Rahmen dieser Untersuchung wurde der Erfolg an den Kriterien: Anforderungen, Zeit und Budget festgemacht. Demzufolge sind beispielsweise folgende Bedingungen an einem erfolgreichen Projekt geknüpft: Anforderungen 100 % erfüllt; Termin- und/oder Budgetüberschreitung bis maximal 20 % (die komplette Klassifizierung finden Sie im OBJEKTspektrum-Artikel).
Die Umfrage an sich, war sowohl an klassische als auch an agile Projekte gerichtet. Die Umsetzung von Anforderungen ist in allen Projekten ein wichtiger Baustein des Erfolgs bzw. der Kundenzufriedenheit. Wie die Anforderungen ermittelt und umgesetzt wurden (klassisch oder agil) ist genau genommen nicht relevant. Dass in agilen Projekten die wirklich wichtigen Anforderungen beim Kunden besser im Bewusstsein haften und so der Effekt der Zufriedenstellung verstärkt wird ist einer der Vorteile agiler Vorgehensweise, dieser Effekt wird aber nur eintreten können, wenn die fragliche Anforderung auch umgesetzt ist.
Zum Thema Schlüsselfaktoren:
Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich vor allem den Zusammenhang zwischen dem Projekterfolg und der Team- bzw. Gruppenqualität untersucht. Natürlich spielen auch andere Faktoren, wie beispielsweise die Unterstützung durch das Management oder die Akzeptanz der zukünftigen Nutzer, eine wesentliche Rolle – all diese Einfluss-Möglichkeiten stehen in Wechselwirkungen zueinander und dies erfordert wiederum eine „Vernetzte Denkweise“. Nichtsdestotrotz sehe ich die konstruktive Teamentwicklung als eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Projektes – wobei ich auch der Meinung bin, dass ein schlechtes Team ebenfalls ein Projekt erfolgreich abschließen kann, ABER auch nur dann, wenn es nicht zu gravierenden Problemen oder Krisen kommt.
@Dirk Riehle
In erster Linie sollte die durchgeführte Online-Umfrage eine Tendenz aufzeigen, da eine Diplomarbeit relativ eingeschränkt ist in Bezug auf Zeit und Umfang 🙂
Nähere Informationen bzgl. Methodik und Validität erhalten Sie im Technical Report (Zusammenfassung der Diplomarbeit):
Einfluss agiler Praktiken auf Teammerkmale und Erfolg von Softwareentwicklungsprojekten.
Bei Interesse an der Diplomarbeit können Sie mir gerne eine E-Mail schreiben und dann lasse ich Ihnen diese zukommen.
Interessanter Artikel – und insbesondere finde ich gut, dass hier „Team“ und „Gruppe“ klar getrennt wird.
Und anschliessen kann ich mich dem:
Die Teammerkmale sind aber nicht einfach so vorhanden, sondern entwickeln sich erst im Laufe der Zusammenarbeit.
Sehr skeptisch beurteile ich jedoch das:
Im besten Fall entwickelt sich eine Gruppe, im Zuge eines sogenannten Teamentwicklungsprozesses, zu einem echten Hochleistungsteam.
Denn: Von der konkreten tagtäglichen Arbeit entkoppelte „Teamentwicklungen“ wringen (ausser Einnahmen für „Teamentwickler“) wenig:
„Schon oft brachten z.B. Teambildungs-Experimente Manager auf Wildwasserflossen zusammen, aber wenn sie nach Hause zurückkehrten, waren sie in geschäftlichen Fragen genauso zerstritten wie vorher.“ (Peter Senge in „Die fünfte Disziplin“)
Und Alistair Cockburn zitiert in seinem Buch „Agile Software Development“:
„Programmers give mixed reviews to outside-of-work team-building exercises. Several said, roughly, „I’m not interested in whether we can barbeque together or climb walk together. I’m interested in whether we can produce Software together“. What does build teams? Luke Hohmann offered this observation in an e-mail note: „The best way to build a team is by having them be successful in producing results. Small ones, big ones.It doesn’t matter. This belief has empirical Support; see, for instance, Brown (1990). Fuzzy team building is (IMO) almost always a waste of time and money/““
lg Hans-Peter Korn
Sehr interessanter Artikel. Insbesondere ist es schön, dass hier gezeigt wird, dass gute Teams auch einen ganz realen „Business Value“ mit sich bringen. Gerade in Zeiten rigorosen Cost-Cuttings sollte dieser Aspekt nicht ganz vergessen werden.
Das agiles Projektmanagement helfen kann, ist sicher richtig. Allerdings bedingt es kein Team-Building und ein Team-Building bedarf nicht zwangsläufig agilen Verfahren.
Falsch durchgeführt kann auch in agilen Projekten jedes Teamgefühl zerstört werden. Auf der anderen Seite habe ich auch in zahlreichen Projekten nach klassischen Vorgehensmodellen gearbeitet, in dem ein echter Flow und Teamgeist entstanden ist.
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Sehr, sehr gute Zusammenfassung! Ich habe schon viele zu dem Thema gelesen und die gehört definitiv zu den besten. Ich sträube mich noch ein wenig, meine internen Prozess an das neue Web 2.0 anzupassen, allerdings kann ich den Fortschritt auch nicht mehr aufhalten. Augen zu und durch! Dein Artikel macht aber Mut!