KnowTech 2009

Frank Wolf —  9. Oktober 2009 — Kommentieren

Wie auch im letzten Jahr an dieser Stelle ein paar Eindrücke von der KnowTech 2009 in Frankfurt. Der Veranstaltungsort wurde von der Frankfurter Börse ins Kurhaus Bad Homburg verlegt. Hatten wir 2008 noch das Fehlen von Twitter Boards bemängelt, waren sie beim diesjährigen Event vorhanden. Mit den modernen Flachbildschirmen an den Sponsorenständen vermittelten sie einen Hauch von Modernität und Zukunft, standen jedoch im Kontrast zum Kurhaus als Veranstaltungsort an sich. Die zahlreichen Kronleuchter und die roten Vorhänge im Theatersaal erweckten nicht gerade den Eindruck, dass hier der größte Kongress zu „Deutschlands Zukunftsfrage“ stattfand („Wie gehen wir mit unserem wichtigsten Rohstoff Wissen um“ – Utz Claassen).

knowtech_2009

Der Kontrast zwischen Veranstaltungsort und Twitter-Board spiegelt im Prinzip den Eindruck von der KnowTech wieder: Hier traf alt auf neu – und so war auch in den Diskussionen eine gefühlte Bandbreite von Null-Komma vorgestern bis heute 2.0.

Der Einstieg mit den Keynotes war eine positive Überraschung. Utz Claassen erklärte, dass Wissensmanagement nicht Ansammlung von Wissen sondern Anwendung von Wissen sein muss, und dass die eigentliche Krise unserer Zeit nicht der jetzige Kapitalengpass ist, sondern der schon vorher latente Engpass in der Wissensnutzung. Microsoft Deutschland Chef Achim Berg machte deutlich, dass mit dem Einzug der online-Generation eine neue Denk- und Arbeitsweise in die Firmen einzieht und Bernhard Schütt sprach schon von „Social everywhere“ – doch wirklich überraschen konnte dann Dave Snowden, der Knowledge Management im klassischen Sinne komplett in Frage stellt.

Er fordert einen Wandel weg von dem Versuch Wissen mit technischen Konzepten zu managen, die dem natürlich evolvierten Prozess des menschlichen Lernens und Wahrnehmens aufgezwungen werden („imposed engineering contructs“) hin zu einer Wissensförderung, die die Funktionsweise des Gehirns als Ausgangspunkt und den Menschen im Zentrum hat.

Wir werden hier auf besser20.de in absehbarer Zeit noch einmal genauer auf Snowdens Vortrag eingehen. An dieser Stelle nur ein Punkt zu Social Software. Das erste und das dritte Prinzip von Snowdens „seven principles of knowledge“ lauten: 1. Prinzip – Wissen kann nur freiwillig geteilt werden und nicht zwangsverpflichtend und 3. Prinzip – im Falle eines echten Bedürfnisses werden nur wenige Menschen es ablehnen ihr Wissen zu teilen. Das erklärt einerseits, warum Mitarbeiter sich gesträubt haben zwangsverordnete Formulare auszufüllen, welche dann in die  zustaubenden „Wissensordner“ der Firma abgeheftet wurden. Andererseits ermutigt es uns virtuelle Räume zu schaffen, in denen Mitarbeiter freiwillig arbeiten und sich vernetzen. Denn nur dann können echte Bedürfnisse aus der täglichen Arbeit transparent und Probleme gemeinschaftlich gelöst werden.

Dass er im Web 2.0 angekommen ist, zeigte Snowden schon zu Beginn seines Vortrags, als er einen IPod in seine Hemdtasche steckte und sagte, er werde Podcast und Slides zu seinem Vortrag unmittelbar nach seiner Präsentation in seinem Blog zur Verfügung stellen. Erfrischend und beispielhaft für den deutschen Markt – in dem zwar viel von Web und Enterprise 2.0 geredet, aber wenig davon umgesetzt wird.

Dass es auch anders geht, zeigte wie schon im letzten Jahr der Vortrag der Rheinmetall AG. Markus Bentele, der Chief Knowledge Officer, stellte fest, dass es über kurz oder lang nicht um die Frage geht ob Mitarbeiter Social Software verwenden, sondern ob sie die Social Software des eigenen Unternehmens verwenden oder mangels dessen Vorhandenseins (Qualität) auf Angebote aus dem Internet zurückgreifen. Darüber hinaus muss man Social Software in der Firma als Angebot zur Verfügung stellen. Wer Mitarbeiter zwingt Social Software zu verwenden, tötet die Motivation sich damit auseinanderzusetzen, provoziert „Dienst nach Vorschrift“ und steht am Ende mit einem leeren System und halb ausgefüllten Profilen da.

Social Software muss so einfach und nützlich sein, dass Mitarbeiter sie aus eigenem Antrieb verwenden.

Ein Wiki hinzustellen und zu sagen: „Macht mal“, reicht dazu einfach nicht. Eine Anforderungsanalyse und ein angepasstes Produkt sind Grundvoraussetzungen, denn auch bei der Rheinmetall kam es erst zu einer drastischen Steigerung der Nutzerzahlen, als man dem schon umfassend integrierten Social Software Portal noch ein Explorer Add-on mit Drag & Drop Funktion fürs Dateimanagement hinzufügte.

Das Fazit zur KnowTech: Alt trifft auf neu – Twitter Boards ja, Twitter Verständnis noch nicht.

Es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Über Enterprise 2.0 reden allein reicht nicht – Enterprise 2.0 umsetzen ist jetzt angesagt. Hoffnung gibt die Tatsache, dass das Enterprise 2.0 und Social Software Forum über beide Tage der am besten besuchte Raum war. So wurden viele Leute für das Thema sensibilisiert. Auf dem Enterprise 2.0 Summit werden wir weiteren Schwung aufnehmen, damit es im Jahre 2010 dann wirklich heisst: „Social everywhere.“

Keine Kommentare zu KnowTech 2009

  1. Bernd Appelhans 9. Oktober 2009 at 19:02

    Ich habe auf der Knowtech eine 3 Minuten Umfrage zum Thema Social Software im Unternehmen gemacht. Die Ergebnisse werden wir Anfang November hier auf besser20.de veröffentlichen.

    Wenn Sie auch noch teilnehmen möchten, können Sie das bis Ende Oktober auf folgender Seite tun:

    http://socialsoftware.questionpro.com/

    Machen Sie mit – Vielen Dank!

  2. Gerhard Käfer 10. Oktober 2009 at 03:22

    Schöne Zusammenfassung.
    Allerdings zur Ehrenrettung des wirklich phantastischen Keynotespeakers – er heisst „Dave Snowden“ http://www.gurteen.com/gurteen/gurteen.nsf/id/dave-snowden 

  3. Bernd Appelhans 10. Oktober 2009 at 10:26

    Danke für den Hinweis! Ich hab es jetzt geändert.

  4. Christoph Lehmann 13. Oktober 2009 at 23:34

    Ich war enttäuscht von der Tatsache, dass im Saal Nr 3 (E2.0 Forum) etliche „Anwenderberichte“ nur theoretische Vorträge waren. Oftmals gab es noch gar keine im Arbeitsalltag getesteten Anwendungen sondern lediglich halbfertige Konzepte, die ihre Bewährungsprobe noch überstehen müssen. Positiv war u.a. der Vortrag von Airbus zum wissensgestützten Prozessmanagement.

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  1. Wissen, was 2.0 bedeutet? Oder Machen, was hinter 2.0 steckt? | Besser 2.0 - 20. Oktober 2009

    […] ersten Eindrücke von der KnowTech zeigen bereits, dass Wissensmanagement nicht aufgezwungen werden kann, sondern Wissen freiwillig […]

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