Ist es nicht bemerkenswert? Seit es einigermaßen günstige Internetzugänge und kostenlose Medien gibt, mit denen sehr viele Menschen erreicht werden, findet ein Wandel in der Gesellschaft statt. Dieser Wandel ist langsam, aber so sicher wie das Amen in der Kirche. Sicher bin ich nicht der erste, der dies feststellt. Waren es jedoch vor Jahren und Monaten visionäre Bücher und Blogeinträge, so treten jetzt Strömungen und Veränderungen zu Tage, getrieben durch Medien, welche meist kostenlos Vernetzung, Meinung und Teilung ermöglichen und die wir als „Social Media“ kennen.
Es ist dabei unwichtig, ob man in die Gesellschaft, Politik oder Wirtschaft schaut. Gesellschaftlich gesehen sind Facebook oder Youtube Beispiele, wie sich Millionen Menschen heute vernetzen und Inhalte teilen. Aktuelles Beispiel in der Politik ist die Piratenpartei, welche durch die neuen Medien und ihr Anliegen aus dem Sandkastenstadium herausgekommen ist. Auch die Wirtschaft steht vor tiefgreifenden Änderungen. Kunden tauschen sich massenhaft aus, Mitarbeiter beteiligen sich an Social Networks und Blogs. Es entstehen neue Geschäftsmodelle, Tchibo lässt Produkte entwickeln durch Kunden, Dell lässt sich auf gleichem Weg Ideen geben.
Die Wucht dieser Änderungen beschreibt Karen Shelton von Hairboutique.com aus einer anderen Richtung: Wie das gewesen sei, als der PC und eMail Einzug hielten in die Unternehmen. Als die ersten Prozesse digital umgesetzt wurden, wurde der Chief Information Officer bestellt: Verantwortlich für die strategische und operative Führung der Informationstechnologie – mittlerweile sind die Informationsarchitekturen das Rückgrat jedes größeren Unternehmens.
Dies bewegt mich dazu, folgende Analogie herzustellen. Starten wir bei den Neunzigern: das Internet hält Einzug, kurz davor Siegeszug des PCs, eMail – heute kennen wir dieses Konglomerat, inklusive der vorherrschenden, geschlossenen Firmenphilosophie als „Welt1.0“. Lesen von Informationen und ausführen der Anweisungen ist der wichtigste Faktor, welcher die Unternehmen voranbringt.
Aus heutiger Sicht hat sich einiges verändert. Das Internet ist um die Variante „schreiben“ reicher geworden, Social Media ist geboren – ich nenne es „Welt2.0“. Hier ist lesen, schreiben, teilen, miteinander, die Regel geworden. Ein Lebensraum ist entstanden, welcher sich weiterentwickeln wird (Web Squared, darüber später mehr). Die Erschließung und Nutzung dieses Lebensraums ist in etwa von gleicher Bedeutung wie seinerzeit eMail und Internet, nun haben die Unternehmen also die nächste große Veränderung vor sich.
In der „Welt1.0“ haben die Unternehmen Ihren Platz und „Mode of Operation“ gefunden – was also ist zu tun, um mit der „Welt2.0“ Schritt zu halten?
Viele Unternehmen reagieren zögerlich in Zusammenhang mit den Möglichkeiten und Veränderungen von Social Media. Das ist verständlich, schon bei erster flüchtiger Betrachtung wird klar, dass es das Unternehmen intern und extern betrifft. Häufig beobachte ich also ein hohes „Ausprobierpotential“, meist zögerlich ob der ungewohnten Materie und ohne klare Positionierung der Verantwortlichkeit im Unternehmen selbst. Wer verantwortet unternehmensweite Social Media Aktivitäten? Kommunikation? Marketing? Ich sage: Weder noch, denn jede Abteilung hat zwar klare Aufgaben in Bezug auf Social Media. Allein, es fehlt an der zentralen Instanz, welche die Unternehmensziele als Ganzes versteht und in der Lage ist, daraus die richtigen, harmonisierten Maßnahmen für das gesamte Unternehmen zu erarbeiten.
Es ist daher nur konsequent, dies aufzugreifen und strategisch anzugehen, es ist die Geburtsstunde des Chief Social Media Officers, CSMO.
Noch in unserem ersten Beitrag zum CSMO hatten wir stark die Brille der Einführung, Kommunikation sowie Einordnung im Unternehmen auf. Das war die richtige Richtung, dies wird nun einen Schritt weiter definiert.
Wie festgestellt, betrifft Social Media das Unternehmen in fast jedem Bereich. Demnach ist ein direkter Einfluss auf die Unternehmenszielerreichung gegeben. Der CSMO erhält also die gleiche strategische und operative Führungsrolle – dafür erhält er mit Budget und Zielen Rechte und Pflichten.
Aus Sicht der Rechte dürfte die größte Schwierigkeit aus der Rolle selbst kommen: Sind doch die „herkömmlichen“ Ressorts klar gegliedert und abgegrenzt, stellt die horizontale und vertikale Verantwortung des CSMO die Organisation vor die Herausforderung, neue Weisungsstrukturen zuzulassen. Die Pflichten stellen die Zielerreichung dar und werfen ein neues Licht auf die Frage der Messbarkeit der Social Media Anstrengungen. Das neu justierte Aufgabengebiet des CSMO könnte demnach so aussehen (übersetzt aus Sysomos Blog und angereichert)
– Erarbeiten einer strategischen Vision und Planung für Social Media Aktivitäten des Unternehmens
– Umsetzungsverantwortung horizontal und vertikal
– Koordination und Integration der Planungen mit den weiteren Geschäftsaktivitäten
– Erfolgsüberprüfung und Benchmarking der Social Media Aktivitäten
– Führen des Social Media Teams und der Community Manager
– Evangelisierung und konsequentes Vorleben der internen und externen Aktivitäten
Die Diskussion um die Notwendigkeit eines CSMO steht und fällt mit der Weiterentwicklung des Web2.0 in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die aufkommende Auseinandersetzung unter dem Stichwort „Social Business“ zeigt, wo Web2.0 hinführen wird. Insofern ist es für (große) Unternehmen nur konsequent, schon heute über eine zentrale Rolle eines CSMO mindestens nachzudenken.
Schöner Artikel!
Die Herausforderungen des CSMOs liegen IMHO in einem sinnvoll abgegrenzten Aufgabengebiet (s.o.). sowie weiterhin in der Integration im Unternehmen und v.a. auf dem C-Level!
Gerade gesehen: eine Diskussion bei Zeit Online, die gar nicht so weit weg vom CSMO ist und die wachsende Bedeutung des Internets in unserer Gesellschaft spiegelt:
„Brauchen wir einen Internet Minister?“
Richtig, der Einsatz von Social Media im Unternehmen ist eine aktuell sehr wichtige Sache! Die im Beitrag genannten Aktivitäten eines „Social Media Officers“ sehe ich ganz genauso und würde den Schwerpunkt dabei vor allem auf die interne Consulting- und Multiplikatorrolle legen.
Ich möchte jedoch zu bedenken geben, dass es dafür nicht immer einen eigenen C-Level Verantwortlichen auf Führungsebene braucht. Vielmehr sehe ich den Einsatz von Social Media als Aufgabe, die sich durch die Bereiche interner und externer Unternehmenskommunikation sowie Unternehmens-IT zieht und die Unterstützung, besser noch die aktive Beteiligung der Managementebene (CEO, CIO, CTO etc.) des Unternehmens braucht. Dies gilt übrigens analog für Knowledge Management als Managementaufgabe. Hier haben wir erlebt, dass es den einstmals massiv geforderten Chief Knowlegde Officer (CKO) und oft auch die Personen dazu inzwischen kaum noch gibt, die einseitige Delegation der Verantwortung auf den CKO manchmal sogar zu einer Vernachlässigung der Aufgabe in den primären Unternehmensbereichen geführt hat. Es stellt sich also aus meiner Sicht weniger die Frage nach einem CSMO, sondern vielmehr danach, wie Social Media erfolgreich in die Kommunikations- und Führungsmechanismen der Unternehmen eingeführt werden kann.
Ein sehr interessanter Beitrag den ich in meinem Blog aufgenommen habe – ein guter Kollege von mir hat sich zum Thema noch zusätzliche Gedanken gemacht – http://www.thomashutter.com/index.php/2009/09/social-media-officer-versus-community-manager-versus-community-ambassador/
Die allgemeine Stossrichtung ist zu unterstützen. Allerdings lässt sich die Tätigkeit unter dem Titel des CNO – des Chief Networking Officer – zusammenfassen. Diesen Begriff gibt es bereits. Damit wird auch zum Ausdruck gebracht, um was es im grösseren Zusammenhang geht: Die Verknüpfung von Menschen und den Austausch von Wissen. Social Media sind dabei nur die Tools.
Im CNO liesse sich ebenfalls der CKO integrieren, der für die Verbreitung des Wissens im Netzwerk zuständig ist.
Der CNO sollte sich – im Gegensatz zu einem möglichen CSMO – auch in der realen Welt bewegen, was weiterhin wichtig bleibt.
Hallo,
ich habe in meinem Blog Ihren Beitrag verlinkt und aus meiner Sicht geschildert, wie mein Arbeitgeber derzeit mit der Welt 2.0 umgeht und was er meiner Meinung nach besser machen könnte…
VG
Marco Nellessen
McDonalds hat einen Director Social Media, Details und Namen gibt es hier: http://adage.com/digital/article?article_id=143248
Ulf, danke für den Link.
Bei dieser Gelegenheit: Auf der Informatik2010 in Leipzig werden wir einen Workshop durchführen zum Thema CSMO:
Service Engineer, multidisziplinärer Allrounder oder Erfüllungsgehilfe auf Abruf? Der „Chief Social Media Officer” (CSMO’10) http://www.csmo10.de