Mitarbeiter aus Vertrieben kennen es auf jeden Fall, vielleicht auch der eine oder andere aus großen Konzernen: Zu Beginn des Jahres ruft die Firma zum Kickoff, verkündet die Ziele des neuen Jahres und schenkt Freibier aus. Und – meistens der Höhepunkt zum Schluss der Bühnenshow, ehrt verdiente Mitarbeiter. Wer schaffte den größten Deal? Wer war am nettesten zu den Kunden? Bei uns in der MMS lautete das Motto: „Wer waren die Innovation Champions 2010“?
Nun wäre es ein leichtes, über das Jahr hinweg Namen und Projekte zu sammeln und die Geschäftsleitung oder eine Jury entscheiden zu lassen. Doch passt dieser Wahlmodus in eine moderne Unternehmenskultur, in welcher die Partizipation der Mitarbeiter fest verankert sein soll? Es musste also ein neues Ermittlungs- und Wahlverfahren für die zu ehrenden Mitarbeiter her.
Es folgte eine Entscheidung, die ich für sehr mutig und gleichwohl spannend halte. Weiterhin wurde die eine Hälfte der zu ehrenden Mitarbeiter ausgewählt durch die Geschäftsleitung. Die andere Hälfte jedoch wurde in die Verantwortung der Mitarbeiter gegeben. So waren wir alle also aufgefordert, uns Gedanken zu machen, welchen Mitarbeiter wir nominieren wollten. Die Nominierungszulassung bestand darin, KollegInnen hervorzuheben, welche sich in welcher Weise auch immer besonders für das Thema „Innovation“ hervortaten – sei es mittels einer Idee, einer Kunden-Lösung oder einen innovativen Vorgehensmodell.
An dieser Stelle vernehme ich meistens ein leises Raunen im Raum. Warum sich dann nicht gleich selbst nominieren? Das wäre nicht verboten gewesen, hätte aber gegen den Sinn der Aktion gesprochen. Die nächste Frage lautet sehr oft: „Und wie wurde das dann umgesetzt?“
Die Umsetzung übernahm unser soziales Intranet. Ein sehr schöner Anwendungsfall, und mit den Bordmitteln der meisten neuen sozialen Softwaren auch problemlos ohne großen Zusatzaufwand umsetzbar. Bei Standard-Intranets auf Basis älterer oder herkömmlicher CMS kann das schon ziemlich aufwendig werden, allein schon wegen der zwingend notwendigen Authentifizierung der einzelnen User (Thema „Stimmrecht“).
Zum Vorgehen. Zuerst wurde die leere Mitarbeiter-Liste im Intranet aufgesetzt. Sobald hier eine neue Spalte eingetragen wurde (konnte jeder selbst), bekam der eingetragene Kandidat einen Abstimmungsknopf und war fortan für den Wahlgang aufgestellt.
Nach einem Füll-Zeitraum wurde die Liste gesperrt und es wurde für vier Wochen zur Wahl aufgerufen. Zur Wahl hatte jeder Mitarbeiter eine Stimme (was zugleich auch einer der wenigen Kritikpunkte war – die Liste wurde doch recht lang, man wünschte sich drei Stimmen). Die Wahlergebnisse wurden nicht veröffentlicht, um die Spannung vor dem Kickoff nicht platzen zu lassen.
Die Frage ist nun – wie wars? Was hats gebracht? Lassen wir zuerst Zahlen sprechen. Der Abstimmungs-Artikel im Intranet wurde fast 2000 Mal aufgerufen und fast ein Dutzend Mal kommentiert, er gehört damit zu einem der top beachteten Artikeln. In der Umfrage nach der Wahl wurde die Idee dieser Art der Mitarbeiterehrung mit der Note 1,6 und die Durchführung mit 2,3 benotet. Das muss man sich nochmal vor Augen halten – Note 1,6 von den Mitarbeitern ist auch gleichzeitig ein schönes Lob an die Idee und die Organisatoren.
Abseits der Zahlen ist der Einfluss auf den Mitarbeiter (und so auch indirekt auf die Unternehmenskultur) jedoch weitaus wichtiger. Wer in Verantwortung genommen wird, identifiziert sich stärker mit dem Unterfangen. Gleichzeitig entsteht eine faszinierende und hochinteressante Liste über aktuelle Innovationen und von Namen. Ich habe diese Liste gleich als Favorit markiert, ist sie doch meine Übersicht für tolle Ideen. Gleichzeitig freuen sich natürlich auch die nominierten Mitarbeiter über mehr Sichtbarkeit im Unternehmen bis hoch in die Geschäftsführung. Das ist ein wertschätzender Vorgang und wichtig für die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur.
Ziehen wir ein Fazit. „Mitarbeiter wählen Mitarbeiter“ ist ein toller Anwendungsfall für ein soziales Intranet. Die aktuellen Systeme (Jive, SP2010, Confluence, Drupal etc.) bringen die Bordmittel schon mit (Listen/Tabellen, Formulare, Abstimmungs-Makro, Kommentare etc). Die Wahl selbst ist ein tolles Beispiel dafür, wie das Web2.0 die Inhalte und Stärken eines Mitarbeiters hervorbringt, frei nach dem Motto „Tue Gutes und lass Andere darüber sprechen“. Auch das ist ein Weg zur eigenen Marke.
P.S. Im Falle einer Wiederholung dieser Art der Mitarbeiterehrung in 2011 werde ich natürlich davon und vom „Feintuning“ berichten.
Spannendes Experiment. Ich gratuliere zu diesem Erfolg. Das ist einmal eine andere Herangehensweise im Innovationsmanagement 😉
Viele Grüße, Alexander Stocker